Keine Veranlagung nach bestandskräftiger Ablehnung eines Antrags auf Veranlagung zur Einkommensteuer
BFH 9.2.2012, VI R 34/11Die Beteiligten streiten darüber, ob für das Jahr 2001 eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen ist. Der Kläger reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 am 3.3.2004 beim Finanzamt ein. Hierzu war er unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgefordert worden. Neben positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärte der Kläger einen Verlust aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der T-GmbH atypisch still i.H.v. rd. 63.000 DM. Mit Bescheid vom 27.4.2004 (negativer Feststellungsbescheid 2001) lehnte das Finanzamt die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die T-GmbH atypisch still ab.
Ferner lehnte es mit Bescheid vom 12.8.2004 die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für 2001 ab, da die Voraussetzungen für die Durchführung einer Veranlagung von Amts wegen nicht gegeben seien und der Antrag auf Veranlagung nicht fristgerecht gestellt worden sei. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und verwies auf das noch offene Verfahren hinsichtlich des negativen Feststellungsbescheids in Sachen T-GmbH atypisch still. Im Oktober 2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Eine Klage wurde hiergegen nicht erhoben.
Am 21.12.2005 erging für die T-GmbH atypisch still ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2001 (Feststellungsbescheid 2001) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, in dem ein laufender Verlust aus Gewerbebetrieb für den Kläger i.H.v. rd. 47.000 DM festgestellt wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass es sich um eine Gesellschaft i.S.d. § 2b EStG handle. Mit Änderungsbescheid vom 22.5.2006 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung des Feststellungsbescheids 2001 aufgehoben.
Die Feststellung des Anteils des Klägers blieb unverändert. Die Gesellschaft wurde nicht länger als Gesellschaft i.S.d. § 2b EStG behandelt. In der Folgezeit beantragte der Kläger wiederholt die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für 2001 und die Berücksichtigung des gesondert festgestellten Verlustes aus Gewerbebetrieb. Dabei wurde lediglich der Antrag des Klägers vom 6.11.2006 förmlich mit Rechtsbehelfsbelehrung beschieden. Er wurde mit Schreiben vom 12.1.2007 abgelehnt.
Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger zur Einkommensteuer zu veranlagen ist.
Der Steuerpflichtige kann die Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nur beantragen, wenn er nicht bereits nach Abs. 2 Nr. 1 bis 7 der Vorschrift von Amts wegen zu veranlagen ist. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist die Amtsveranlagung nur durchzuführen, wenn, was hier nicht der Fall ist, die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a EStG, mehr als 410 € beträgt. Eine Veranlagung kommt auch nicht gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 i.d.F. des JStG 2008 in Betracht.
Zwar hat danach der Steuerpflichtige in den Fällen, in denen die Voraussetzungen der Pflichtveranlagung nicht vorliegen, einen Anspruch auf Veranlagung ohne Beachtung einer Antragsfrist. Die Neuregelung ist jedoch erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden und in Fällen, in denen am 28.12.2007 über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Im Streitfall hatte das Finanzamt indessen über den Antrag vom 3.3.2004 vor dem genannten Stichtag bestandskräftig entschieden. Der erneuten Antragstellung u.a. vom 6.11.2006 kommt deshalb keine Bedeutung zu. Sie kann weder den Mangel, dass am 28.12.2007 ein bestandskräftiger Bescheid vorlag, heilen noch hat der Kläger damit ein eigenständiges Antragsrecht für das Streitjahr 2001 ausgeübt. Denn ein solches ist entgegen der Auffassung des FG durch die Rechtsänderung im JStG 2007 (Wechsel von Pflicht- zur Antragsveranlagung) nicht entstanden.
Das FG berücksichtigt bei seiner Auslegung des § 52 Abs. 55j S. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 nicht, dass der Gesetzgeber dem Kläger mit der Neufassung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG keinen zuvor bestehenden Anspruch auf Veranlagung für das Jahr 2001 entzogen hat. Diesen Anspruch hat der Kläger vielmehr verloren, weil der fehlerhafte Ablehnungsbescheid vom 12.8.2004 nicht beklagt, sondern bestandskräftig geworden ist. Weder dem Wortlaut der Anwendungsregelung noch dem Willen des Gesetzgebers ist jedoch zu entnehmen, dass der Gesetzgeber in diesen "abgeschlossenen" Fällen den Steuerpflichtigen mit § 52 Abs. 55j S. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ein nochmaliges Antragsrecht auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eröffnen wollte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der genannten Überleitungsvorschrift lediglich alle noch offenen Fälle einer umfassenden Erledigung zuführen wollte.
Schließlich ist eine Veranlagung auch nicht nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO durchzuführen. Zwar ist danach ein Steuerbescheid zu erlassen, soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Nach der Rechtsprechung des BFH soll aber der Erlass eines Feststellungsbescheids gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO nicht zu einer Veranlagung von Amts wegen führen und die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids keine Ausweitung der in § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 8 EStG spezialgesetzlich geregelten Veranlagungstatbestände des EStG zur Folge haben.
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