24.10.2012

Keine Verbindlichkeiten oder Rückstellungen im Ausgabejahr bei Frisör-Gutscheinen für das folgende Jahr

Verteilt ein Frisör an seine Kunde Gutscheine, die einen Anspruch auf Preisermäßigung von Frisör-Dienstleistungen im Folgejahr gewähren, sind im Ausgabejahr weder Verbindlichkeiten noch Rückstellungen zu bilanzieren. Der Anspruch auf Preisermäßigung kann wirtschaftlich nicht schon früher verursacht sein als das Geschäft, auf das er sich bezieht.

BFH 19.9.2012, IV R 45/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist als GmbH & Co. KG Organträgerin einer GmbH, die Frisörsalons betreibt. Von Mitte November bis Ende Dezember der Streitjahre 1995 bis 1997 gaben die Frisörsalons an ihre Kunden als Weihnachtsgeschenke jeweils einen bzw. ab 1996 zwei Gutscheine aus. Diese waren im Januar bzw. Februar des Folgejahres gültig. Der Name des Kunden wurde nicht festgehalten. Die Gutscheine konnten weder bar eingelöst noch kumuliert werden und verfielen nach Ablauf des Aktionszeitraums entschädigungslos.

Für die zu erwartenden Erlösminderungen wies die GmbH in der Bilanz des Ausgabejahres Rückstellungen aus, die jeweils in der Bilanz des Folgejahres wieder aufgelöst wurden. Die Höhe der Rückstellungen schätzte sie in Anlehnung an die Zahl der gedruckten Gutscheine. Da das Gutscheinsystem von den Stammkunden ab dem zweiten Jahr verstärkt akzeptiert worden sei, nahm die GmbH an, dass die Ende 1996 ausgegebenen Gutscheine sämtlich eingelöst worden seien. Bei 400.000 ausgegebenen schätzte sie den Rückstellungsbetrag 1996 auf 4 Mio. DM. Für 1997 bildete sie eine Rückstellung von 6,1 Mio. DM.

Im Anschluss an Betriebsprüfungen ging das Finanzamt davon aus, dass keine Rückstellungen zu bilden seien, weil die mit der Ausgabe der Gutscheine verbundenen Erlösminderungen wirtschaftlich nicht dem Jahr der Ausgabe, sondern dem der Einlösung zuzurechnen seien. Die Steuerbehörde erhöhte die Gewinne der GmbH und damit auch der Klägerin entsprechend.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte zutreffend entschieden, dass die GmbH in den Streitjahren keine Verbindlichkeiten oder Rückstellungen für die im jeweiligen Folgejahr einzulösenden Gutscheine bilden durfte.

Nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung hierfür ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Der Schuldner muss ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen, und die Geltendmachung der Verpflichtung muss nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich sein. Schließlich muss die ungewisse Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht sein, wobei nicht abschließend geklärt ist, ob das Erfordernis der wirtschaftlichen Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag auch für rechtlich entstandene und nur der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten gilt.

Infolgedessen durfte die GmbH wegen der Gutscheine keine Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bilden, weil die darauf beruhenden Verbindlichkeiten im Ausgabejahr weder rechtlich entstanden und nur der Höhe nach ungewiss noch wirtschaftlich verursacht waren. Schließlich beinhalteten sie keinen Preisnachlass für bereits bezogene, sondern für künftige Dienstleistungen. Die Verpflichtung war in dem für die Bilanzierung maßgeblichen Sinne rechtlich noch nicht entstanden. Die Bildung einer Rückstellung wegen einer rechtlich bereits entstandenen, der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit kam daher nicht in Betracht.

Die mit den Gutscheinen versprochene Preisminderung für künftige, im Begünstigungszeitraum in Anspruch zu nehmende Dienstleistungen wurde somit nicht bereits durch das Versprechen im Ausgabejahr, sondern erst durch die Dienstleistung im Folgejahr, wirtschaftlich verursacht. Der Anspruch auf Preisermäßigung kann wirtschaftlich nicht schon früher verursacht sein als das Geschäft, auf das er sich bezieht. Der Umstand, dass die GmbH Gutscheine nur an solche Kunden ausgab, die zuvor eine Dienstleistung in Anspruch genommen hatten, rechtfertigte es ebenfalls nicht, die erst für eine künftige Dienstleistung versprochene Preisminderung wirtschaftlich schon der früheren, voll bezahlten Dienstleistung zuzuordnen.

Linkhinweis:

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