Keine wirksame Strafbefreiungserklärung bei nur versuchter Hinterziehung
BFH 17.5.2011, VIII R 31/08Der Kläger erzielte seit 1998 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Ingenieur. Für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2002 hatte er weder Einkommen- noch Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Im Dezember 2004 reichte er für diese Jahre strafbefreiende Erklärungen nach dem StraBEG ein und entrichtete jeweils rechtzeitig den nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StraBEG ermittelten Betrag.
Das Finanzamt hielt die Erklärung allerdings für unwirksam, soweit sie den Veranlagungszeitraum 2002 betraf und hob die entsprechende Steuerfestsetzung auf. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Für die Wirksamkeit der strafbefreienden Erklärung komme es darauf an, ob der Kläger die Einkommensteuer bis zum 17.10.2003 verkürzt habe. Bei Nichtabgabe der Erklärung sei insoweit der Abschluss der regelmäßigen Veranlagungsarbeiten maßgeblich. Davon sei hinsichtlich der Einkommensteuer 2002 erst im November 2004 auszugehen.
Der Kläger wandte ein, er habe die Steuerhinterziehung auch hinsichtlich der Einkommensteuer für 2002 vor dem entscheidenden Datum des 17.10.2003 begangen. Maßgeblich für eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen sei der Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist gem. § 149 Abs. 2 S. 1 AO, für die Einkommensteuererklärung 2002 mithin der 31.5.2003. Im angefochtenen Urteil werde nichts weiter zur Legaldefinition des § 8 StGB ausgeführt, wonach es für die Tatbegehung nicht auf den Eintritt des Taterfolgs ankomme.
Die Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Der Bescheid, mit dem das Finanzamt die durch die Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufgehoben hatte, war rechtmäßig.
Straffreiheit nach § 1 Abs. 1 StraBEG tritt nur ein, wenn die mit der strafbefreienden Erklärung offenbarte Steuerhinterziehung im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bereits vollendet war. Entgegen der Auffassung des Klägers ließ sich aus der Bestimmung in § 8 StGB, wonach der Eintritt des Taterfolgs nicht maßgeblich für die Zeit der Tatbegehung ist, kein (Umkehr-)Schluss im Sinn seines Klagebegehrens ziehen. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber eine strafbefreiende Erklärung für das Jahr 2002 auch in Fällen der bis zum 17.10.2003 nur versuchten Steuerhinterziehung durch Unterlassen begünstigen wollte. Der Anwendungsbereich des Gesetzes erstreckt sich daher auch für das Jahr 2002 nur auf Fälle, in denen der Taterfolg bis zum Stichtag eintrat.
Infolgedessen hatte das Finanzamt die durch die Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung zu Recht gem. § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG aufgehoben, soweit sie die Einkommensteuer für 2002 betraf. Schließlich war die vom Kläger allenfalls beabsichtigte Steuerhinterziehung im Zeitpunkt der Abgabe der strafbefreienden Erklärung noch nicht vollendet, so dass insoweit Straffreiheit nach dem ersten Abschnitt des StraBEG nicht eintreten konnte. Der Taterfolg war bis zum 17.10.2003 noch nicht eingetreten, weil der bei Nichtabgabe der Erklärung nach der BFH-Rechtsprechung insoweit maßgebliche Abschluss der regelmäßigen Veranlagungsarbeiten nicht vor dem 1.11.2004 anzunehmen war.
Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist zwar auch bei Anwendung des StraBEG beachtlich. Allerdings mit der Folge, dass bei bestehenden Zweifeln über eine Tatbegehung die Unschuldsvermutung gilt und das StraBEG keine Anwendung findet, weil dann nicht von einer begangenen Straftat oder Steuerordnungswidrigkeit ausgegangen werden kann.
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