04.05.2017

Keine Zustimmung des Sachwalters: Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Steuerschulden

Das FG Münster hat sich mit der Haftungsinanspruchnahme eines GmbH-Geschäftsführers für Steuerschulden, deren Zahlung der Sachwalter im vorläufigen Insolvenzverfahren ausdrücklich nicht zugestimmt hat, befasst.

FG Münster 3.4.2017, 7 V 492/17 U
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt die Antragsteller zu Recht als Haftungsschuldner für Umsatzsteuerrückstände in Anspruch genommen hat. Die Antragsteller sind bzw. waren Geschäftsführer der P-GmbH. Im November 2014 stellte die P-GmbH beim AG einen Insolvenzantrag. Das AG ordnete antragsgemäß die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellte Rechtsanwalt R zum vorläufigen Sachwalter.

Zugleich ordnete es an, dass Zahlungen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.v. § 37 AO sowie Zahlungen auf Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung i.S.v. § 266a StGB nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters geleistet werden dürfen. Mit Schreiben vom 26.11.2014 teilte der vorläufige Sachwalter mit, dass er einer Zahlung der Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung sowie der Zahlung von Steuern während des vorläufigen Insolvenzverfahrens ausdrücklich nicht zustimme.

Im April 2015 wurde das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet und R als Sachwalter bestellt. Mit Datum vom 16.11.2016 erließ das Finanzamt jeweils einen Haftungsbescheid nach §§ 191 Abs. 1 i.V.m. §§ 69, 34 AO gegenüber den Antragstellern für Umsatzsteuerrückstände der P-GmbH. Der Betrag sollte spätestens am 21.12.2016 gezahlt werden. Das Finanzamt ging bei der Berechnung des Haftungsbetrages von einer Haftungsquote i.H.v. 39,10 % aus. Als Beginn des Haftungszeitraums legte es den 10.2.2015 fest.

Das FG gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids statt.

Die Gründe:
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Haftungsbescheide, der Antragsgegner dürfte die Antragsteller nach summarischer Prüfung zu Unrecht im Rahmen der sog. Geschäftsführerhaftung gem. §§ 191, 69, 34 AO in Anspruch genommen haben.

Die Antragsteller waren als Geschäftsführer der P-GmbH als deren gesetzliche Vertreter gem. § 35 Abs. 1 GmbHG zwar zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft verpflichtet. Sie haben ihre Pflichten als Geschäftsführer jedoch nicht grob fahrlässig verletzt. Reichen die finanziellen Mittel der Gesellschaft nicht zur Befriedigung aller Gläubiger aus, so begeht der gesetzliche Vertreter grundsätzlich eine Pflichtverletzung i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 2 AO, wenn er es versäumt, die Steuerschulden der Gesellschaft in etwa in dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Forderungen der anderen Gläubiger, sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung. Vorliegend haben die Antragsteller im Haftungszeitraum Forderungen anderer Gläubiger in größerem Umfang getilgt als die Steuerschulden beim Antragsgegner.

Grundsätzlich sind die Geschäftsführer jedoch auch trotz der Stellung des Insolvenzantrags und der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung zur Zahlung der Steuerrückstände unter Beachtung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung verpflichtet. Denn nach BFH-Rechtsprechung befreit allein der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens den GmbH-Geschäftsführer nicht von der Haftung wegen Nichtabführung von Lohnsteuer. Denn der Geschäftsführer ist nach der Rechtsprechung des BFH solange verpflichtet, die Steuerverbindlichkeiten des Steuerschuldners zu zahlen, bis diesem durch Bestellung eines (starken) Insolvenzverwalters oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis entzogen wird.

Die Rechtsposition des Geschäftsführers als gesetzlicher Vertreter des (Steuer-)Schuldners und dessen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Außenverhältnis wird auch durch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung nicht beschränkt. Der Pflicht zur Zahlung der Steuerverbindlichkeiten steht auch weder eine Pflichtenkollision wegen Verletzung der Massesicherungspflicht noch der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz entgegen. Hier hatte das Insolvenzgericht jedoch gem. §§ 270a, 21 Abs. 1 S. 1 InsO angeordnet, dass Zahlungen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.v. § 37 AO nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters geleistet werden durften und der Sachwalter hatte die Zustimmung ausdrücklich versagt.

Es kann insoweit dahinstehen, ob die Anordnung eines solchen Zustimmungsvorbehalts durch das Insolvenzgericht insolvenzrechtlich im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung zulässig ist oder nicht. Denn jedenfalls kann im Streitfall aufgrund der Beachtung der insolvenzgerichtlichen Anordnung kein den Antragstellern vorwerfbares grobes Verschulden angenommen werden. Allein die Tatsache, dass die Geschäftsführer trotz der vom Gericht angeordneten Beschränkungen ihr Amt/ihre Aufgaben übernommen bzw. nicht niedergelegt haben, kann entgegen der Auffassung des Antragsgegners kein grobes Verschulden der Antragsteller begründen.

Linkhinweis:

Rechtsprechungsdatenbank NRW
Zurück