Kindergeld: Ausbildungswilligkeit kann durch eine nachträgliche Erklärung des Kindes nachgewiesen werden
FG Düsseldorf v. 26.4.2019 - 7 K 1093/18 Kg
Der Sachverhalt:
Die Klägerin bezog für ihren Sohn fortlaufend Kindergeld. Dieser befand sich zunächst in einer Schulausbildung, die bis Juli 2017 dauern sollte. Am 1.8.2016 hatte der Sohn eine Ausbildung begonnen, die zum 31.10.2016 durch eine fristgerechte arbeitgeberseitige Kündigung beendet wurde. Der Sohn war nach einer ärztlichen Bescheinigung vom 14.9.2016 bis letztlich 31.12.2017 arbeitsunfähig. Er litt unter einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung.
Mit einem Bescheid vom 29.6.2017 wurde die Kindergeldfestsetzung ab August 2017 wegen Beendigung der Schulausbildung aufgehoben. Auf eine Nachfrage durch die Familienkasse erklärte der Sohn am 12.9.2017, er beabsichtige zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Beendigung seiner Erkrankung eine Ausbildung aufzunehmen. In einem Formular bescheinigte der behandelnde Arzt am 12.9.2017, dass das Ende der Erkrankung nicht absehbar sei. Mit einem weiteren Bescheid vom 2.10.2017 wurde Kindergeld ab August 2017 abgelehnt, weil das Ende der Erkrankung nicht absehbar sei. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten.
Nach Anhörung wurde die Kindergeldfestsetzung mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.11.2017 rückwirkend ab November 2016 aufgehoben und Kindergeld für den Zeitraum November 2016 bis einschließlich Juli 2017 i.H.v. 1.778 € zurückgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Kind habe die Berufsausbildung abgebrochen. Zudem sei ein Ende der Erkrankung nicht absehbar.
Die Klägerin reichte eine ärztliche Bescheinigung ein, wonach die Erkrankung voraussichtlich am 31.12.2017 ende. Sie war der Ansicht, ihr stehe durchgängig Kindergeld zu. Dass ihr Sohn die Erklärung, ausbildungswillig zu sein, erst im September 2017 abgegeben habe, liege daran, dass er erst zu diesem Zeitpunkt von der Familienkasse hierzu aufgefordert worden sei. Weder sie noch ihr Sohn hätten gewusst, dass sie eine solche Erklärung hätten abgeben müssen.
Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Die Familienkasse war verpflichtet, Kindergeld auch für den Zeitraum November 2016 bis Juli 2017 für den Sohn festzusetzen. Der Klägerin steht Kindergeld gem. §§ 62, 63 und 32 EStG auch für den Zeitraum November 2016 bis einschließlich Juli 2017 zu.
Da ein Anspruch auf Kindergeld auch dann besteht wenn ein Kind seine Ausbildung wegen einer Erkrankung unterbrechen muss, weil es aus objektiven Gründen zeitweise nicht in der Lage ist, die Ausbildung fortzusetzen, kann nichts anderes gelten, wenn eine Ausbildung wegen einer Erkrankung schon nicht begonnen oder gesucht werden kann. Der Sohn war im entsprechenden Zeitraum auch ausbildungswillig. Dies ergab sich aus seiner klaren und eindeutigen Erklärung vom 12.9.2017.
Diese Erklärung war auch für den zurückliegenden Zeitraum ab dem Beginn der Erkrankung von November 2016 bis einschließlich Juli 2017 von Bedeutung. Einer Berücksichtigung stand insoweit nicht entgegen, dass der Sohn die von der Familienkasse geforderte schriftliche Erklärung über seine Ausbildungswilligkeit erst mit Schreiben vom 12.9.2017 mithin insoweit nachträglich abgegeben hatte. Zwar muss nach der Dienstanweisung der Familienkasse ein Kind seinen Willen, sich unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes um eine Ausbildung zu bemühen, durch eine schriftliche Erklärung glaubhaft machen (DA-KG A 17.2 Abs.1 Satz 4). Eine derartige Erklärung soll nach DA-KG V 6.1 Abs.1 Satz 8 jedoch nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs bei der Familienkasse, hier also ab September 2017 gelten.
Entgegen dieser Anweisung genügt es nach der zutreffenden finanzgerichtlichen Rechtsprechung, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind. Zwar kann der Zeitpunkt, an dem der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet wurde, ein Indiz gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrages sein, ebenso, dass ein Sachverhalt nicht oder falsch dargestellt wurde, weil die Rechtslage unzutreffend beurteilt worden war. Dies führt aber nicht dazu, dass der Anspruch auf die Leistung entfällt. Entscheidend ist nämlich nicht, was erklärt wurde, sondern die tatsächliche Lage, denn es handelt sich hier nicht um eine rechtsgestaltende Erklärung, sondern um eine im Wege der Glaubhaftmachung zu würdigende Tatsachenbekundung. Letztlich sind die Gerichte auch nicht an Verwaltungsanweisungen gebunden.
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Die Klägerin bezog für ihren Sohn fortlaufend Kindergeld. Dieser befand sich zunächst in einer Schulausbildung, die bis Juli 2017 dauern sollte. Am 1.8.2016 hatte der Sohn eine Ausbildung begonnen, die zum 31.10.2016 durch eine fristgerechte arbeitgeberseitige Kündigung beendet wurde. Der Sohn war nach einer ärztlichen Bescheinigung vom 14.9.2016 bis letztlich 31.12.2017 arbeitsunfähig. Er litt unter einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung.
Mit einem Bescheid vom 29.6.2017 wurde die Kindergeldfestsetzung ab August 2017 wegen Beendigung der Schulausbildung aufgehoben. Auf eine Nachfrage durch die Familienkasse erklärte der Sohn am 12.9.2017, er beabsichtige zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Beendigung seiner Erkrankung eine Ausbildung aufzunehmen. In einem Formular bescheinigte der behandelnde Arzt am 12.9.2017, dass das Ende der Erkrankung nicht absehbar sei. Mit einem weiteren Bescheid vom 2.10.2017 wurde Kindergeld ab August 2017 abgelehnt, weil das Ende der Erkrankung nicht absehbar sei. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten.
Nach Anhörung wurde die Kindergeldfestsetzung mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.11.2017 rückwirkend ab November 2016 aufgehoben und Kindergeld für den Zeitraum November 2016 bis einschließlich Juli 2017 i.H.v. 1.778 € zurückgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Kind habe die Berufsausbildung abgebrochen. Zudem sei ein Ende der Erkrankung nicht absehbar.
Die Klägerin reichte eine ärztliche Bescheinigung ein, wonach die Erkrankung voraussichtlich am 31.12.2017 ende. Sie war der Ansicht, ihr stehe durchgängig Kindergeld zu. Dass ihr Sohn die Erklärung, ausbildungswillig zu sein, erst im September 2017 abgegeben habe, liege daran, dass er erst zu diesem Zeitpunkt von der Familienkasse hierzu aufgefordert worden sei. Weder sie noch ihr Sohn hätten gewusst, dass sie eine solche Erklärung hätten abgeben müssen.
Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Die Familienkasse war verpflichtet, Kindergeld auch für den Zeitraum November 2016 bis Juli 2017 für den Sohn festzusetzen. Der Klägerin steht Kindergeld gem. §§ 62, 63 und 32 EStG auch für den Zeitraum November 2016 bis einschließlich Juli 2017 zu.
Da ein Anspruch auf Kindergeld auch dann besteht wenn ein Kind seine Ausbildung wegen einer Erkrankung unterbrechen muss, weil es aus objektiven Gründen zeitweise nicht in der Lage ist, die Ausbildung fortzusetzen, kann nichts anderes gelten, wenn eine Ausbildung wegen einer Erkrankung schon nicht begonnen oder gesucht werden kann. Der Sohn war im entsprechenden Zeitraum auch ausbildungswillig. Dies ergab sich aus seiner klaren und eindeutigen Erklärung vom 12.9.2017.
Diese Erklärung war auch für den zurückliegenden Zeitraum ab dem Beginn der Erkrankung von November 2016 bis einschließlich Juli 2017 von Bedeutung. Einer Berücksichtigung stand insoweit nicht entgegen, dass der Sohn die von der Familienkasse geforderte schriftliche Erklärung über seine Ausbildungswilligkeit erst mit Schreiben vom 12.9.2017 mithin insoweit nachträglich abgegeben hatte. Zwar muss nach der Dienstanweisung der Familienkasse ein Kind seinen Willen, sich unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes um eine Ausbildung zu bemühen, durch eine schriftliche Erklärung glaubhaft machen (DA-KG A 17.2 Abs.1 Satz 4). Eine derartige Erklärung soll nach DA-KG V 6.1 Abs.1 Satz 8 jedoch nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs bei der Familienkasse, hier also ab September 2017 gelten.
Entgegen dieser Anweisung genügt es nach der zutreffenden finanzgerichtlichen Rechtsprechung, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind. Zwar kann der Zeitpunkt, an dem der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet wurde, ein Indiz gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrages sein, ebenso, dass ein Sachverhalt nicht oder falsch dargestellt wurde, weil die Rechtslage unzutreffend beurteilt worden war. Dies führt aber nicht dazu, dass der Anspruch auf die Leistung entfällt. Entscheidend ist nämlich nicht, was erklärt wurde, sondern die tatsächliche Lage, denn es handelt sich hier nicht um eine rechtsgestaltende Erklärung, sondern um eine im Wege der Glaubhaftmachung zu würdigende Tatsachenbekundung. Letztlich sind die Gerichte auch nicht an Verwaltungsanweisungen gebunden.
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