Kindergeld: Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Abzweigung
BFH 3.7.2014, III R 41/12Die Klägerin ist Mutter einer körperlich und geistig behinderten Tochter. Der Grad der Behinderung beträgt 100 %. Die Tochter wird auf Kosten des Landratsamtes vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht ist. Die Klägerin bezog von der Familienkasse für ihre Tochter Kindergeld. Zu den Kosten der Unterbringung entrichtete sie einen Beitrag von monatlich 26 €. Zusätzlich erbrachte sie für ihre Tochter weitere Unterhaltsleistungen. Der Gesamtbetrag ihrer Leistungen wurde von ihr mit rund 1.700 € jährlich beziffert. Das Landratsamt bestritt die Höhe der Aufwendungen.
Auf Antrag des Amtes verfügte die Familienkasse die Abzweigung des Kindergelds i.H.v. 128 € monatlich an das Landratsamt ab Juli 2007. Aufgrund des Einspruchs der Klägerin wurde die Abzweigung auf 77 € monatlich ab Dezember 2007 reduziert. Die auf die vollständige Aufhebung der Abzweigung gerichtete Klage hatte überwiegend keinen Erfolg. Das FG entschied, dass es lediglich ermessensfehlerhaft gewesen sei, die Abzweigung nicht bereits ab Juli 2007 auf 77 € monatlich zu beschränken. Im Übrigen wies es die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf, soweit die Abzweigung den Betrag von 12,12 € monatlich überschritten hatte.
Gründe:
Das FG war zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitzeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes an das Landratsamt dem Grunde nach vorlagen, denn die Klägerin war ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht i.S.d. § 74 Abs. 1 S. 1 EStG nachgekommen, da sie die laufenden Kosten für die Unterbringung ihrer Tochter in der Pflegeeinrichtung - mit Ausnahme des von ihr entrichteten Kostenbeitrags nicht getragen hatte.
Da auch die Voraussetzungen für eine Abzweigung dem Grunde nach vorlagen, hing die Rechtmäßigkeit des Abzweigungsbescheides davon ab, ob die Entscheidung der Familienkasse über die Abzweigung sachgerechtem Ermessen entsprach. Insofern war die Revision begründet als ein Ermessensfehlgebrauch vorlag, weil die Familienkasse die von der Klägerin erbrachten Unterhaltsleistungen weder im Abzweigungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung vollständig ermittelt und der Höhe nach beziffert hatte.
Die Familienkasse war bei der Ermessensausübung ersichtlich davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erbrachten Unterhaltsleistungen die Höhe des Kindergeldes nicht erreichten. So hatte sie in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, dass die Klägerin ihre Unterhaltspflicht lediglich mit einem Betrag erfülle, der geringer sei als die Höhe des Kindergeldes. Hiervon ausgehend hatte es die Familienkasse als zulässig erachtet, die Unterhaltsleistungen pauschal zu berücksichtigen und das Kindergeld in hälftiger Höhe abzuzweigen.
Das FG hatte sich bei der Überprüfung der Ermessensausübung im Ergebnis von den gleichen Überlegungen leiten lassen. Sowohl die Familienkasse als auch das FG hatten hierbei nicht hinreichend beachtet, dass eine hälftige Abzweigung in der von ihnen angenommenen Fallkonstellation nur dann sachgerechtem Ermessen entsprechen konnte, wenn sich die Höhe der vom Berechtigten erbrachten Unterhaltsleistungen nicht mehr - auch nicht durch Schätzung - ermitteln ließe. Eine solche Situation hatte aber niemand festgestellt. Das FG hatte sich letztendlich mit der Feststellung begnügt, dass die Unterhaltsleistungen die Höhe des Kindergeldes nicht erreicht hätten. Allerdings deuteten die Ausführungen des FG darauf hin, dass sich die Höhe der Unterhaltsleistungen ermitteln ließ.
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