Kindergeldanspruch für volljähriges und beschäftigungsloses Kind bei Meldung als Arbeitsuchender
BFH 7.7.2016, III R 19/15Die Klägerin ist die Mutter des im Juli 1987 geborenen Sohnes R, für den sie fortlaufend Kindergeld bezog. R wurde aufgrund eines zweiten Meldeversäumnisses zum September 2007 aus der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit abgemeldet. Ab November 2007 war R bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Bei einem Arbeitsunfall im November 2007 erlitt er eine Quetschung der linken Hand sowie eine Mehrfragmentfraktur des linken Zeigefingers. R war infolge des Unfalls bis September 2008 arbeitsunfähig und bezog Verletztengeld. Die Zeitarbeitsfirma kündigte das Arbeitsverhältnis mit R zum Dezember 2007. Im Oktober 2008 meldete sich R arbeitsuchend.
Die beklagte Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für R ab Oktober 2007 auf und forderte das für Oktober 2007 bis Juli 2008 gezahlte Kindergeld zurück, da R sich nicht mehr in Berufsausbildung befinde, die anschließende Arbeitslosigkeit nur bis September 2007 nachgewiesen habe und die erneute Arbeitslosmeldung erst im Oktober 2008 erfolgt sei. Hiergegen wendet sich der die Klägerin mit ihrer Klage.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung des R nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG im Streitzeitraum nicht vorliegen, da R nicht bei einer Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet war.
Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist. Zur Erfüllung des letztgenannten Tatbestandsmerkmals genügt die Meldung als Arbeitsuchender; die übrigen Merkmale der Arbeitslosigkeit i.S.d. § 119 Abs. 1 SGB III wie Eigenbemühungen und Verfügbarkeit brauchen nicht nachgewiesen zu werden. Das Gesetz unterstellt typisierend, dass die Voraussetzungen der §§ 118 ff. SGB III vorliegen.
Als Arbeitsuchender gemeldet ist, wer gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt. Der Registrierung des arbeitsuchenden Kindes und der daran anknüpfenden Bescheinigung kommt keine (echte) Tatbestandswirkung für den Kindergeldanspruch zu. Entscheidend ist, ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender gemeldet bzw. diese Meldung alle drei Monate erneuert hat. Unter Heranziehung dieser Grundsätze hat das FG einen Kindergeldanspruch der Klägerin für den Streitzeitraum zu Recht verneint. R ist nicht nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigungsfähig, da er sich im Streitzeitraum nicht bei einer inländischen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet hat.
R ist einem als arbeitsuchend gemeldeten Kind auch nicht deshalb gleichzustellen, weil er infolge seines Arbeitsunfalls bis zum 30.9.2008 arbeitsunfähig erkrankt war. Gegen eine solche Gleichstellung spricht zunächst der Wortlaut des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG ("gemeldet ist"), wonach es entscheidend darauf ankommt, dass sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender meldet. Die durch den Arbeitsunfall verursachte Arbeitsunfähigkeit des R stand einer Meldung als Arbeitsuchender bei der Agentur für Arbeit nicht entgegen, weil diese keine Verfügbarkeit voraussetzt. Für den Begriff des "Arbeitsuchenden" ist für das Kindergeld auf die Vorschriften des Sozialrechts zurückzugreifen. Gem. § 15 S. 2 SGB III sind Arbeitsuchende Personen, die eine Beschäftigung als Arbeitnehmer suchen. R war auch tatsächlich nicht daran gehindert, sich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender zu melden.
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