23.10.2020

Kindergeldanspruch im Rahmen eines Freiwilligendienstes Erasmus+

Kinder, die einen Freiwilligendienst i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 zur Einrichtung von "Erasmus+" leisten, werden steuerrechtlich nur berücksichtigt, wenn der Dienst die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG i.V.m. der Verordnung erfüllt. Ein Freiwilligendienst im Rahmen des Programms "Erasmus+" liegt nur bei der Teilnahme an einem von einer Nationalen Agentur anerkannten Projekt vor. Nicht ausreichend ist es, wenn die Organisation, bei der das Kind seinen Dienst leistet, als Veranstalter für das Programm "Erasmus+" registriert und akkreditiert ist.

BFH v. 1.7.2020 - III R 51/19
Der Sachverhalt:
Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum August 2018 bis Oktober 2018. Der Kläger ist der Vater der im April 2000 geborenen Tochter (T). T beendete im Juli 2018 ihre Schulausbildung und begann ab September 2018 einen Freiwilligendienst bei der Organisation X in Großbritannien. Die Organisation war als Veranstalter für das von der EU eingerichtete Programm Erasmus+ registriert und akkreditiert. Die Familienkasse lehnte die Weitergewährung von Kindergeld ab August 2018 ab.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.

Die Gründe:
Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob T im Streitzeitraum an einem Freiwilligendienst i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG teilgenommen hat.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung können Kinder nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG wegen der Teilnahme an einem Freiwilligendienst nur berücksichtigt werden, wenn es sich hierbei um die konkret im Gesetz direkt umschriebenen Dienste handelt. Daher werden Kinder, die einen Freiwilligendienst leisten, steuerrechtlich nur berücksichtigt, wenn der Dienst die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG i.V.m. der in der Norm genannten Verweisungsnorm bzw. - im Streitfall - mit der genannten europäischen Verordnung erfüllt. Es liegt im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, nur anerkannte, bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen genügende Dienste zu fördern, bei denen die mit der Förderung verfolgten Ziele gewährleistet werden.

Mit der VO Nr. 1288/2013 wurde das Programm Erasmus+ eingerichtet. Ein Bestandteil des Programms ist der Europäische Freiwilligendienst (EFD). Aus der VO Nr. 1288/2013 ergibt sich, dass ein Freiwilligendienst i.S.d. VO nur vorliegt, wenn gewährleistet ist, dass das Projekt, an dem der Freiwillige teilnimmt, die von der VO in Art. 4 im Allgemeinen und für den Bereich der Jugend in Art. 11 ff. speziell genannten Ziele verfolgt. Denn gem. Art. 3 Abs. 1 der VO Nr. 1288/2013 werden im Rahmen des Programms Erasmus+ "ausschließlich Maßnahmen und Aktivitäten mit potentiellem europäischen Mehrwert unterstützt", die zur Erreichung der in Art. 4 genannten allgemeinen Ziele beitragen. Hierzu gehören auch Jugendaktivitäten außerhalb der Schule im Rahmen der jugendpolitischen Zusammenarbeit, beispielsweise im Bereich des Freiwilligendienstes. Insbesondere sollen Freiwilligentätigkeiten im Rahmen des EFD die Mobilität von jungen Menschen zwischen den EU-Ländern (Programmländern) im Bereich des nicht formalen und informellen Lernens unterstützen. Ein Freiwilligendienst i.S.d. VO Nr. 1288/2013 setzt daher voraus, dass der Freiwillige im europäischen Ausland seine Tätigkeit im Rahmen eines geförderten Projekts erbringt, das dieser Zielsetzung entspricht.

Ein Freiwilligendienst im Rahmen des Programms Erasmus+ kann deshalb nur dann zur Gewährung von Kindergeld führen, wenn er die in der VO Nr. 1288/2013 und den entsprechenden Durchführungsbestimmungen (Programmleitfaden) dargelegten Voraussetzungen erfüllt. Es muss sich danach um eine Tätigkeit im Rahmen eines geförderten Projekts handeln. Ein solches Projekt liegt aber nur vor, wenn es von einer entsprechenden Nationalen Agentur genehmigt worden ist. Nicht ausreichend ist, dass eine Organisation für ein Programm Erasmus+ lediglich registriert und akkreditiert ist. Nachdem das FG vorliegend keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob T im Rahmen eines von der Nationalagentur anerkannten Projekts tätig geworden ist, konnte der BFH nicht abschließend entscheiden und verwies die Sache an das FG zurück.
BFH PM Nr. 45 vom 22.10.2020
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