Kindergeldanspruch nach dem Vorläufigen Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit?
FG Baden-Württemberg v. 16.1.2020 - 3 K 1614/17
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob die Klägerin, eine für die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zuständige untere Aufnahmebehörde (§ 2 Abs. 1, 2, 4 i.V.m. § 1 Abs. 2, Halbsatz 2 des Gesetzes über die Aufnahme von Flüchtlingen vom 19.12.2013), aufgrund eines Erstattungsanspruchs gem. § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 SGB X die Auszahlung von Kindergeld für die beiden Söhne der Beigeladenen für die Zeit von Juli bis November 2016 (Streitzeitraum) beanspruchen kann.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BGH wurde u.a. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Ein Kindergeldanspruch der Beigeladenen für ihre beiden Söhne besteht für den Zeitraum Juli bis November 2016 nicht.
Die Beigeladene kann Kindergeld nicht gem. § 62 Abs. 2 EStG beanspruchen, da sie im Streitzeitraum (noch) nicht im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels war. Ein Anspruch der Beigeladenen auf Kindergeld ergibt sich auch nicht aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. Art. 2 des VEA und Art. 2 Satz 1 des Zusatzprotokolls. Die Beigeladene als subsidiär Schutzberechtigte erfüllt nicht die persönlichen Voraussetzungen des VEA. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Beigeladene kein Flüchtling i.S.d. Genfer Abkommens ist. Der subsidiäre Schutzstatus findet weder im Genfer Abkommen noch im VEA nebst Zusatzprotokoll ausdrücklich Erwähnung. Eine entsprechende Anpassung dieser (älteren) Normen ist (bislang) nicht erfolgt. Nach dem Wortlaut des VEA und des Zusatzprotokolls werden somit subsidiär Schutzberechtigten nicht dieselben Rechte wie Flüchtlingen zugebilligt; das VEA ist vielmehr auf subsidiär Schutzberechtigte wie die Beigeladene nicht (unmittelbar) anwendbar.
Die Gleichstellung von subsidiär Schutzberechtigten mit Flüchtlingen nach dem Genfer Abkommen im Wege einer über den Wortlaut hinausreichenden richtlinienkonformen Auslegung des VEA und des Zusatzprotokolls kommt - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht im Hinblick auf die QLR 2011 und das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Das VEA nebst Zusatzprotokoll ist demnach im Hinblick auf die QLR (Qualifikationsrichtlinie) nicht dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass auch subsidiär Schutzberechtigte vom Anwendungsbereich umfasst werden müssten.
Ein Anspruch der Beigeladenen auf Kindergeld kann auch nicht aus A 4.4 Abs. 1 der Dienstanweisung des Bundeszentralamts für Steuern zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG, Stand: 2019) hergeleitet werden. Da die Kindergeldberechtigung nicht von einer Ermessensentscheidung der Familienkasse abhängt, handelt es sich bei der DA-KG -soweit sie nicht lediglich die Rechtslage wiedergibt- um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften haben nach ständiger BFH-Rechtsprechung jedoch keine Bindungswirkung im gerichtlichen Verfahren.
Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Streitig ist, ob die Klägerin, eine für die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zuständige untere Aufnahmebehörde (§ 2 Abs. 1, 2, 4 i.V.m. § 1 Abs. 2, Halbsatz 2 des Gesetzes über die Aufnahme von Flüchtlingen vom 19.12.2013), aufgrund eines Erstattungsanspruchs gem. § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 SGB X die Auszahlung von Kindergeld für die beiden Söhne der Beigeladenen für die Zeit von Juli bis November 2016 (Streitzeitraum) beanspruchen kann.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BGH wurde u.a. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Ein Kindergeldanspruch der Beigeladenen für ihre beiden Söhne besteht für den Zeitraum Juli bis November 2016 nicht.
Die Beigeladene kann Kindergeld nicht gem. § 62 Abs. 2 EStG beanspruchen, da sie im Streitzeitraum (noch) nicht im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels war. Ein Anspruch der Beigeladenen auf Kindergeld ergibt sich auch nicht aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. Art. 2 des VEA und Art. 2 Satz 1 des Zusatzprotokolls. Die Beigeladene als subsidiär Schutzberechtigte erfüllt nicht die persönlichen Voraussetzungen des VEA. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Beigeladene kein Flüchtling i.S.d. Genfer Abkommens ist. Der subsidiäre Schutzstatus findet weder im Genfer Abkommen noch im VEA nebst Zusatzprotokoll ausdrücklich Erwähnung. Eine entsprechende Anpassung dieser (älteren) Normen ist (bislang) nicht erfolgt. Nach dem Wortlaut des VEA und des Zusatzprotokolls werden somit subsidiär Schutzberechtigten nicht dieselben Rechte wie Flüchtlingen zugebilligt; das VEA ist vielmehr auf subsidiär Schutzberechtigte wie die Beigeladene nicht (unmittelbar) anwendbar.
Die Gleichstellung von subsidiär Schutzberechtigten mit Flüchtlingen nach dem Genfer Abkommen im Wege einer über den Wortlaut hinausreichenden richtlinienkonformen Auslegung des VEA und des Zusatzprotokolls kommt - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht im Hinblick auf die QLR 2011 und das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Das VEA nebst Zusatzprotokoll ist demnach im Hinblick auf die QLR (Qualifikationsrichtlinie) nicht dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass auch subsidiär Schutzberechtigte vom Anwendungsbereich umfasst werden müssten.
Ein Anspruch der Beigeladenen auf Kindergeld kann auch nicht aus A 4.4 Abs. 1 der Dienstanweisung des Bundeszentralamts für Steuern zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG, Stand: 2019) hergeleitet werden. Da die Kindergeldberechtigung nicht von einer Ermessensentscheidung der Familienkasse abhängt, handelt es sich bei der DA-KG -soweit sie nicht lediglich die Rechtslage wiedergibt- um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften haben nach ständiger BFH-Rechtsprechung jedoch keine Bindungswirkung im gerichtlichen Verfahren.