Kindergeldanspruch während der Untersuchungshaft eines Kindes
BFH 18.1.2018, III R 16/17Der Kläger ist Vater eines im Oktober 1991 geborenen Sohnes (S). S schloss im März 2010 einen Vertrag übe eine Ausbildung ab. Die Ausbildung begann im August 2010 und sollte bis Februar 2014 dauern. In einem gegen S eingeleiteten Strafverfahren wurde ihm vorgeworfen, sich neben weiteren Angeklagten zu einem Raub mit schwerer Körperverletzung verabredet zu haben. S wurde von Oktober 2012 bis November 2013 in Untersuchungshaft genommen. Die Untersuchungshaft fand in einer Justizvollzugsanstalt statt, in der keine Möglichkeit bestand, eine Ausbildung durchzuführen. Im November 2012 kündigte der Ausbildungsbetrieb das Ausbildungsverhältnis mit der Begründung, dass S seit Oktober 2012 unentschuldigt gefehlt habe. Im Dezember 2014 wurde S freigesprochen. Der Freispruch wurde 2016 vom BGH bestätigt.
Die Familienkasse hob mit Bescheid vom 3.9.2014 die gegenüber dem Kläger für S erfolgte Kinderfestsetzung ab November 2012 auf und forderte das für die Zeit von November 2012 bis Januar 2014 bereits gezahlte Kindergeld i.H.v. 2.760 € vom Kläger zurück. Den dagegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse zurück.
Das FG gab der dagegen gerichteten Klage für die Zeit von November 2012 bis November 2013 statt und wies die Klage im Übrigen ab. Die dagegen gerichtete Revision der Familienkasse hatte vor dem BFH Erfolg. Sie führte zur Aufhebung des FG-Urteils, soweit der Klage stattgegeben wurde, und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Die Gründe:
Dem Kläger stand kein Kindergeldanspruch wegen einer Berufsausbildung des S zu. Nach §§ 62 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind von 18 bis einschließlich 24 Jahren kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es sich in einer Berufsausbildung befindet. Dafür kommt es nicht auf das formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses an, sondern darauf, dass Ausbildungsmaßnahmen tatsächlich durchgeführt werden. Im Streitfall kommt es daher nicht darauf an, ob das Ausbildungsverhältnis wirksam gekündigt wurde, denn auch bei Fortbestehen trat eine Unterbrechung der Ausbildung durch die Untersuchungshaft ein. S führte während seiner Untersuchungshaft keinerlei Berufsausbildungsmaßnahmen durch.
Der BFH hat in seinem Urteil 20.7.2006, III R 69/04 einen Kindergeldanspruch ausnahmsweise trotz Unterbrechung der Ausbildung durch Untersuchungshaft des Kindes anerkannt. Es genügt aber insoweit nicht, dass das Kind später freigesprochen wird und daher die Unterbrechung nicht zu vertreten hat. Es muss sich vielmehr, um eine nur vorübergehende Unterbrechung handeln. Im Streitfall liegt keine nur vorübergehende Unterbrechung vor, da S auch nach dem Ende der Untersuchungshaft keine Ausbildung fortgesetzt und keine Ausbildungsmaßnahmen begonnen hat.
Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen für die Bejahung eines Kindergeldanspruchs unter dem Aspekt, dass S eine Berufsausbildung nicht fortsetzen oder beginnen konnte, nicht aus. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert dieser Umstand, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Dabei ist das Bemühen glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben reichen nicht aus. Zudem muss das Kind die Ausbildungsstelle im Falle des Erfolgs seiner Bemühungen auch antreten können. Es bedarf daher weiterer Feststellungen des FG zur Frage, ob S sich während der Untersuchungshaft ernsthaft und in belegbarer Weise um eine Ausbildungsstelle bemüht hatte.
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