26.07.2017

Kindergeldberechtigung: Feststellung der fehlenden Freizügigkeit von Unionsbürgern nur durch die Ausländerbehörden

Bei der Gewährung von Kindergeld haben die Familienkassen die hierfür erforderliche Freizügigkeit ausländischer Unionsbürger zu unterstellen. Die Feststellung der fehlenden Freizügigkeit, die den Kindergeldanspruch ausschließen kann, obliegt nur den Ausländerbehörden. Die Familienkassen haben insoweit kein eigenes Prüfungsrecht.

BFH 15.3.2017, III R 32/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist bulgarischer Staatsbürger und wohnt seit März 2010 mit seiner Tochter in Berlin. In seinem Antrag auf Gewährung von Kindergeld hatte er mitgeteilt, dass er nicht erwerbstätig sei und auch nicht in Deutschland sozialversichert, sondern von seiner Schwiegermutter unterhalten werde. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab und setzte das Kindergeld erst ab Mai 2012 fest, nachdem der Kläger eine Freizügigkeitsbescheinigung erhalten hatte.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab, weil das Freizügigkeitsrecht des Klägers im Hinblick auf den Kindergeldanspruch nicht unterstellt werden könne. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Gründe:
Das FG hatte zu Unrecht entschieden, dass der Kläger vor Erteilung der Freizügigkeitsbescheinigung als nicht freizügigkeitsberechtigt zu behandeln war und daher wegen § 62 Abs. 2 EStG kein Kindergeld beanspruchen konnte.

Nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer erhalten Kindergeld nur dann, wenn sie über bestimmte Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz verfügen. Da die Arbeitnehmerfreizügigkeit von Bürgern "neuer" Mitgliedstaaten wie etwa im Fall von Bulgarien und Rumänien für eine Übergangszeit beschränkt war, war zu entscheiden, ob Zweifel an der Freizügigkeitsberechtigung den Kindergeldanspruch ausschließen. Bei der Gewährung von Kindergeld haben die Familienkassen die hierfür erforderliche Freizügigkeit ausländischer Unionsbürger allerdings zu unterstellen.

Bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen steht unabhängig von der für sie bis zum 31.12.2013 eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit ein allein aus der Unionsbürgerschaft folgendes Freizügigkeitsrecht zu. Dieses Recht entfällt nur durch eine Feststellung der fehlenden Freizügigkeit durch die zuständige Ausländerbehörde (§ 5 Abs. 5, § 6 u. § 7 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern). Die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit besteht zudem auch nach deutschem Recht nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für niedergelassene selbständige Erwerbstätige, Empfänger von Dienstleistungen, Familienangehörige usw. Die förmliche Feststellung der fehlenden Freizügigkeit obliegt dabei allein den Ausländerbehörden. Die Familienkassen haben insoweit kein eigenes Prüfungsrecht.

Linkhinweis:

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BFH PM Nr. 48 vom 26.7.2017
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