Körperschaftsteuerbefreiung für die Abgabe von Faktorpräparaten zur Heimselbstbehandlung durch ein Universitätsklinikum
BFH 18.10.2017, V R 46/16Streitig ist, ob die Abgabe von Faktorpräparaten (Blutgerinnungsfaktoren) an Hämophile zur sog. Heimselbstbehandlung dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb des Klägers zuzurechnen ist. Das klagende Universitätsklinikum verfolgt nach § 2 Abs. 1 S. 5 der Verordnung über die Errichtung von Universitätskliniken als Anstalt des öffentlichen Rechts (UK-VO) vom 1.12.2000 ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i.S.d. AO und nimmt Aufgaben in der Krankenversorgung einschließlich der Hochleistungsmedizin und im öffentlichen Gesundheitswesen wahr (§ 2 Abs. 1 S. 2 UK-VO).
Im Rahmen von ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlungen gab der Kläger im Streitjahr (2007) Blutgerinnungsfaktoren an eigene Patienten ab. Hierzu kamen die Patienten zwischen zwei- und sechsmal jährlich sowie zusätzlich bei aufgetretenen Blutungen in das Behandlungszentrum des Klägers. Dabei wurden die Gerinnungsfaktoren unmittelbar von den behandelnden Ärzten an die Patienten abgegeben. Der jeweilige Arzt hatte die Abgabe für Zwecke der ärztlichen Behandlung der von der Anwendung betroffenen Personen und für Zwecke der Risikoerfassung nach dem Arzneimittelgesetz zu dokumentieren (§ 14 Abs. 1 Transfusionsgesetz). Im weiteren Verlauf der Behandlung dokumentierte der Patient die Einnahme der Präparate. Diese Dokumentation wurde von dem behandelnden Arzt überwacht und geprüft.
In der Körperschaftsteuererklärung des Streitjahres ging der Kläger davon aus, dass die Gewinne aus der Veräußerung von Faktorpräparaten zu seinem (steuerfreien) Zweckbetrieb (§ 67 AO) gehörten. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Abgabe der Faktorpräparate dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers zuzurechnen sei und unterwarf den hieraus erzielten Gewinn der Körperschaftsteuer. Im Einspruchsverfahren änderte es die Körperschaftsteuerfestsetzung nur insoweit, als es den bisher angesetzten Gewinn um den Betrag minderte, den der Kläger aus dem Verkauf von Faktorpräparaten an ambulant behandelte Patienten erzielte; im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger auch insoweit von der Körperschaftsteuer befreit ist, als er Faktorpräparate an Hämophile im Rahmen der ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung abgibt.
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 und 2 KStG sind die Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen. Trotz Vorliegens eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs bleibt die Steuerfreiheit bestehen, wenn es sich um einen Zweckbetrieb (§§ 64 ff. AO) handelt. Ein Krankenhaus ist gem. § 67 Abs. 1 AO ein Zweckbetrieb, wenn es in den Anwendungsbereich des KHEntgG oder der BPflV fällt und mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhaus Leistungen (§ 7 KHEntgG, § 10 BPflV) berechnet werden.
Die Abgabe von Faktorpräparaten durch ein Krankenhaus zur Verabreichung im Rahmen der ärztlich begleiteten Heimselbstbehandlung von Hämophilen ist dem Zweckbetrieb "Krankenhaus" zuzurechnen und fällt daher unter die Körperschaftsteuerbefreiung. Denn alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen, sind aufgrund der weit gefassten Legaldefinitionen des Krankenhauses in § 2 Nr. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze und § 107 Abs. 1 SGB V dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzurechnen. Ausgehend von dem Zweck des § 67 AO, die Sozialversicherungsträger als Kostenträger für ihre Versicherten steuerlich zu entlasten, handelt es sich jedenfalls solange um eine typischerweise gegenüber den Patienten erbrachte Leistung, als das Krankenhaus zur Sicherstellung seines Versorgungsauftrages von Gesetzes wegen zu dieser Leistung befugt ist und der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich zahlen muss.
Der Zurechnungszusammenhang dieser ambulanten Behandlung zum Zweckbetrieb entfällt auch nicht dadurch, dass der Patient selbst einen Teil der Behandlung (Verabreichung der Präparate) zu Hause ausführt. Denn die Heimselbstbehandlung steht im Kontext einer fortbestehenden Krankenhausbehandlung. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass nur die Abgabe von Faktorpräparaten an Patienten als Benutzer des Krankenhauses im Streit steht. Die Präparate werden auch unmittelbar im Krankenhaus den Patienten übergeben, die sie sich lediglich - nach entsprechender Schulung - zu Hause verabreichen. Diese Heimselbstbehandlung vollzieht sich unter ständiger ärztlicher Kontrolle und Beratung, insbesondere hinsichtlich der Anpassung der Faktorpräparate an die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Patienten.
Überdies kamen im Streitfall die Patienten je nach Alter zwischen zwei- und sechsmal jährlich sowie bei zusätzlich auftretenden Blutungen in das Behandlungszentrum des Krankenhauses. Die Abgabe der Gerinnungsfaktoren wird schließlich durch den behandelnden Arzt für Zwecke der Risikoerfassung nach dem Arzneimittelgesetz dokumentiert. Im weiteren Behandlungsverlauf hat zwar der Patient die Einnahme der Präparate zu dokumentieren, diese Dokumentation wird jedoch von dem behandelnden Arzt überwacht und geprüft, so dass es gerechtfertigt ist, diese ambulante Behandlung noch dem Krankenhaus aus steuerbefreiten Zweckbetrieb zuzurechnen.
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