16.03.2021

Kosten der Unterbringung eines Fünfzigjährigen in einer Pflege-WG mindern die Einkommensteuer

Aufwendungen für die Unterbringung eines fünfzigjährigen Schwerbehinderten in einer Pflege-WG sind steuermindernde außergewöhnliche Belastungen.

FG Köln v. 30.9.2020 - 3 K 1858/18
Der Sachverhalt:
Der 1965 geborene Kläger ist aufgrund eines Motorradunfalls schwerbehindert. Neben einem Grad der Behinderung von 100 weist sein Schwerbehindertenausweis die Merkzeichen G (erheblich gehbehindert), B (Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nötig) und H (hilflos) aus. Er ist von der Pflegekasse in Pflegegrad 4 (schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit) eingestuft.

Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung Miet- und Verpflegungskosten für seine Unterbringung in einer Pflege-WG als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen ab. Der Kläger sei nicht in einem Heim, sondern in einer Wohngemeinschaft mit Betreuungsleistungen i.S.d. § 24 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG NW) untergebracht.

Dem folgte das FG nicht und berücksichtigte die Kosten abzüglich einer Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastungen. Das Finanzamt hat die vom FG zugelassene Revision eingelegt, die unter dem Az.: VI R 40/20 beim BFH anhängig ist.

Die Gründe:
Die Aufwendungen des Klägers für die Unterbringung in einer Pflege-WG sind steuermindernde außergewöhnliche Belastungen. Durch § 33 EStG sollen zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf berücksichtigt werden, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Entsprechend sind auch krankheits- oder behinderungsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG zu berücksichtigen.

Die Unterbringung des Klägers ist angesichts seines Alters von 50 Jahren im Zeitpunkt des Umzugs in die Wohngemeinschaft außergewöhnlich im Sinne des § 33 EStG. Denn während es bei einem älteren Menschen nichts Außergewöhnliches ist, wenn er in einem Altersheim lebt, weil er nicht mehr für sich sorgen kann oder will, stellt sich für Menschen im arbeitsfähigen Alter - wie den Kläger - die Unterbringung in einem Heim als außergewöhnlich dar. Es ist auch kein Unterschied zwischen den verschiedenen, vom Gesetzgeber gleichermaßen anerkannten Formen der Unterbringung pflegebedürftiger Menschen ersichtlich.
FG Köln PM vom 15.3.2021
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