Kosten eines verwaltungsgerichtlichen Streites sind absetzbar
FG Münster 27.11.2013, 11 K 2519/12 EDie Kläger stritten mit ihrem Nachbarn wegen einer erteilten Baugenehmigung für eine Betriebshalle, die sie für rechtswidrig hielten. Das VG teilte diese Auffassung, das OVG war jedoch anderer Meinung. Das hiergegen vor dem BVerwG geführte Klageverfahren verloren die Kläger ebenfalls. Sie mussten daher sämtliche Verfahrenskosten (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) i.H.v. rund 17.500 € tragen. Diese Aufwendungen machten sie als außergewöhnliche Belastungen in ihrer Einkommensteuererklärung 2010 geltend.
Das Finanzamt lehnte dies ab. Es verwies u.a. darauf, dass das BFH-Urteil vom 12.5.2011 (Az.: VI R 42/10) zu den Kosten eines Zivilverfahrens aufgrund eines BMF-Schreibens vom 20.12.2011 (IV C 4 - S 2284/07/0031: 002 - / - 2011/1025909) über den Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sei. Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung komme es im Hinblick darauf, ob Gerichtskosten zwangsläufig angefallen seien, auf die wesentliche Ursache an, die zu den Aufwendungen geführt habe. Liege diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, komme ein Abzug nicht in Betracht. Ein Abzug sei außerdem bisher nur für den Fall von Aufwendungen für einen Zivilprozess in Betracht gekommen.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde im Hinblick auf eine Vielzahl von beim BFH anhängigen Revisionsverfahren nach der Änderung seiner Rechtsauffassung zum Merkmal der Zwangsläufigkeit in § 33 EStG die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Die angefallenen Aufwendungen für Rechtsanwälte und Gerichtskosten aus Anlass der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten waren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Den Klägern waren die Kosten zwangsläufig entstanden. Seit dem BFH-Urteil vom 12.5.2011 (Az.: VI R 42/10) sind Kosten für einen Zivilprozess dann als zwangsläufig zu beurteilen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Kosten eines Zivilprozesses sind auf Seiten des jeweiligen Klägers bzw. Beklagten bereits dann unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus der Sicht eines verständigen Dritten Aussicht auf Erfolg bietet. Maßgeblich sind demnach die Vorgaben, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen.
Für den Streitfall folgt der Senat dieser neueren Rechtsprechung. Soweit die darin genannten Auslegungsgrundsätze nach dem Erlass des BMF in seinem Schreiben vom 20.12.2011 nicht zu berücksichtigen sein sollen, sind hieran lediglich die nachgeordneten Finanzbehörden gebunden. Eine Bindung der Gerichte vermag hiervon nicht auszugehen. Dass Hilfe des Verwaltungsgerichts in Anspruch genommen wurde, war nicht mutwillig. Die Klage hatte - wie die erstinstanzliche Entscheidung zeigte - auch Aussicht auf Erfolg.
Zwar ging es hier nicht um die Kosten für einen Zivilprozess. Die vom BFH herausgestellten Grundsätze sind aber auch in den Fällen anzuwenden, in denen - wie hier - Kosten aus Anlass eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betroffen sind. Grund für die geänderte Rechtsauffassung des BFH zur Auslegung des Merkmals der Zwangsläufigkeit in seinem Urteil vom 12.5.2011 ist der Ausgangspunkt, dass sich im Hinblick auf das staatliche Gewaltmonopol streitige Ansprüche regelmäßig nur gerichtlich durchsetzen oder abwehren lassen. Zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten seien die Kontrahenten auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Dieser Gesichtspunkt gilt auch für Fälle eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
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