15.03.2019

Kündigung durch Bausparkasse in Niedrigzinsphase

Für einen Unterlassungsantrag, der darauf gerichtet ist, einer Bausparkasse zu verbieten, Bausparverträge aufgrund einer nach Vertragsschluss eingetretenen Veränderung der finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus wichtigem Grund und/oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage zu kündigen, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antrag nicht nur die von dem Kläger beanstandete außergerichtliche Kündigung, sondern auch die Rechtsverteidigung der Beklagten im Prozess erfasst und weil die Erklärung der Kündigung einer gerichtlichen Auseinandersetzung über deren Berechtigung zwingend vorausgehen muss.

OLG Köln 18.1.2019, 6 U 74/18
Der Sachverhalt:

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände und in der vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UklaG eingetragen. Die Beklagte ist eine Bausparkasse. Ende des Jahres 2016 wandte sich die Beklagte in mehreren Fällen an ihre Kunden, die - im privaten Bereich - mit ihr einen Bausparvertrag geschlossen hatten. Sie bot ihnen den Wechsel des Altvertrages auf einen von ihr zeitgemäß genannten Tarif E2 an, der erheblich niedrigere Garantiezinsen auswies.

 

Als Grund dafür gab die Beklagte die lang andauernde Niedrig- und mittlerweile Nullzinsphase an, die zwischenzeitlich auch zu einer in der Vergangenheit für ausgeschlossen gehaltenen Negativverzinsung geführt hat. Außerdem wies sie darauf hin, dass der Verbraucher entweder einen Tarifwechsel vornehmen oder sich seinen Bausparvertrag auszahlen lassen könne. Für den Fall, dass eine Entscheidung nicht bis zum 7.2.2017 getroffen werde, werde die Beklagte den Bausparvertrag kündigen. Am 14.3.2017 erfolgten dann die bereits zuvor angekündigten Kündigungen.

 

Der Kläger hielt die Kündigungen für unwirksam. Er sah in dem Verhalten der Beklagten, insbesondere in der Begründung der Kündigung einen Verstoß gegen die § 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 7 UWG. Darüber hinaus lägen Verstöße gegen § 3 Abs. 2 UWG und § 1 UKlaG analog vor. Die Beklagte hielt dagegen, dass ein Bausparvertrag kein bankübliches Sparkonto sei und nicht zur Geldanlage genutzt werden dürfe. Verhielten sich die Inhaber hoch verzinslicher, mit den aktuellen finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr zu vereinbarender Bausparverträge nicht dementsprechend, so schädige dies nicht nur die Bausparkasse, sondern auch die gesamte Bausparergemeinschaft.

 

Das LG wies die Unterlassungsklage ab. Die Handlung der Beklagten sei jedenfalls nicht irreführend nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Nr. 7 UWG. Auch die Berufung des Klägers vor dem OLG blieb ohne Erfolg.

 

Die Gründe:

Die Klage ist bereits unzulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht.

 

Für einen Unterlassungsantrag, der darauf gerichtet ist, einer Bausparkasse zu verbieten, Bausparverträge aufgrund einer nach Vertragsschluss eingetretenen Veränderung der finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus wichtigem Grund und/oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage zu kündigen, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antrag nicht nur die von dem Kläger beanstandete außergerichtliche Kündigung, sondern auch die Rechtsverteidigung der Beklagten im Prozess erfasst und weil die Erklärung der Kündigung einer gerichtlichen Auseinandersetzung über deren Berechtigung zwingend vorausgehen muss. Diese Erwägung beruht darauf, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden.

 

Da das Verbot von Äußerungen, die im Vorfeld eines Verfahrens getätigt werden, bereits Einfluss auf das Verfahren haben können, dürfen solche Äußerungen nicht untersagt werden, die einen engen Bezug zu dem Verfahren haben. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Rechte von am Verfahren Beteiligten Dritten betroffen sind. Eine sorgfältige Abwägung ist erforderlich, wenn der Dritte sich nicht gegen die Äußerungen zur Wehr setzen kann.

 

Vor diesem Hintergrund hat der große Senat für Zivilsachen angenommen, dass das Vorgehen gegen unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen möglich sein muss (BGH-Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04). Allerdings lag dem der Fall zugrunde, dass durch die (unberechtigte) Schutzrechtsverwarnung massiv in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition eingegriffen worden war, ohne dass der Hersteller die Möglichkeit gehabt hätte, sich gegen die Schutzrechtsverwarnungen zur Wehr zu setzen. Wird hingegen der Hersteller verwarnt, scheidet ein Unterlassungsanspruch aus, weil im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zu klären, ist ob die Verwarnung berechtigt war.

 

Es ist somit zu berücksichtigen, dass die ungehinderte Durchführung staatlich geregelter Verfahren im Interesse der daran Beteiligten, aber auch im öffentlichen Interesse nicht mehr als unbedingt notwendig behindert werden darf. Die Verfahrensbeteiligten müssen, soweit nicht zwingende rechtliche Grenzen entgegenstehen, vortragen können, was sie zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für erforderlich halten. Es ist dann allein Aufgabe des mit der Entscheidung in dem betreffenden Verfahren befassten Organs, die Erheblichkeit und Richtigkeit des jeweiligen Vorbringens für seine Entscheidung zu beurteilen.

 

Nur so ist eine rechtsstaatliche Verfahrensführung gewährleistet. Es geht nicht an, dass diese mehr als unabdingbar notwendig von außen beeinflusst wird, indem Dritte durch gerichtliche, an einen Verfahrensbeteiligten gerichtete Unterlassungsgebote außerhalb des Ausgangsverfahrens vorgeben, was in diesem vorgetragen und damit zum Gegenstand der betreffenden Entscheidung gemacht werden darf. Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn Äußerungen auf der Hand liegend falsch sind oder sie sich als unzulässige Schmähung darstellen, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im Vordergrund steht. In solchen Fällen kann eine gesonderte Klage auf Unterlassung oder Widerruf ausnahmsweise zulässig sein

 

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