Künstliche Befruchtung - Steuerrechtliche außergewöhnliche Umstände
FG München 8.10.2019, 6 K 1420/17
Der Sachverhalt:
Die 1974 geborene Klägerin ist seit 2009 mit ihrem 1977 geborenen Mann verheiratet. In den Jahren 2011 bis 2013 hatte die Klägerin insgesamt vier Fehlgeburten. Danach entschieden sie sich, Hilfe in einem Zentrum für Reproduktionsmedizin zu suchen. Die einzig realistische Chance zur Erzielung einer fortlaufenden und genetisch unauffälligen Schwangerschaft sah der Arzt in der Durchführung einer IVF mit Mikroinjektion und einer Trophektoderm Biopsie zum Ausschluss genetischer Störungen in der frühen Embryonalentwicklung. Eine ICSI-Behandlung zur Vorbereitung einer Trophektoderm Biopsie sei medizinisch indiziert.
Die private Krankenkasse des Ehemanns lehnte eine Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung im Wesentlichen mit der Begründung ab, aus den vorliegenden Unterlagen könne keine männliche Fertilitätsstörung festgestellt werden. In erster Linie handle es sich um eine chromosomale Fehlverteilung in den Eizellen und nicht in den Spermien. Die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin lehnte ebenfalls eine Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung ab. Maßnahmen der künstlichen Befruchtung könnten nur dann beansprucht werden, wenn eine Schwangerschaft auf anderem Wege nicht herbeigeführt werden könne. Diese Voraussetzung sei bei der Klägerin nicht erfüllt, so dass es eindeutig an einer medizinischen Indikation fehle.
In den Jahren 2014 und 2015 fanden mehrere Behandlungen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung statt. Nach vier erfolglosen Behandlungen wurde von dem Kinderwunschzentrum eine weitere Behandlung abgelehnt. Es folgten weitere Behandlungen in Bregenz und Brüssel, die zu einer Schwangerschaft mit Zwillingen Diese Schwangerschaft ist auf eine Eizellenspende der Schwester der Klägerin zurückzuführen. Anschließend machten beide für das Jahr 2014 Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung i.H.v. 29.126 € als außergewöhnliche Belastung geltend und beantragten die hälftige Aufteilung auf jeden der Ehegatten. Allerdings blieben die Kosten jeweils unberücksichtigt.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage weitestgehend statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Für 2014 sind rund 26.998 € für die Kinderwunschbehandlung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Der BFH erkennt in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird. Voraussetzung ist allerdings weiter, dass die den Aufwendungen zugrundeliegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Und nach § 1 Embryonenschutzgesetz darf in Deutschland eine Eizellenspende, im Gegensatz zu einer Fremdsamenspende, nicht vorgenommen werden. Infolgedessen waren die Behandlungskosten in Bezug auf die gespendeten Eizellen im Jahr 2014 i.H.v. 2.127 € nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen werden.
Erforderlich für den Abzug als außergewöhnliche Belastung ist allerdings auch, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer "Krankheit" der Frau oder des Mannes beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Unter einer "Krankheit" i.d.S. ist mit dem BFH, der seinerseits dem Begriffsverständnis der anderen oberen Bundesgerichte folgt, ein objektiv anomaler regelwidriger Körperzustand zu verstehen. Nach dem FG Berlin-Brandenburg (Urt. 9 K 11390/16) ist davon der Fall abzugrenzen, dass eine objektiv feststellbare herabgesetzten Fertilität nicht auf anormalen organischen Ursachen, sondern auf dem fortgeschrittenen Alter eines Menschen beruht. Es handelt sich in diesem Fall gerade nicht um einen "regelwidrigen" Körperzustand, sondern um die Folge eines natürlichen biologischen Vorgangs.
Dieser Ansicht folgt der Senat jedoch nicht. Das Alter der Klägerin, die bei Beginn der Kinderwunschbehandlung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, stellt keinen Umstand dar, der einer Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen entgegenstehen würde. Es liegen schließlich weder Anzeichen dafür vor, dass die durchgeführte Behandlung in diesem Alter als medizinisch nicht erfolgversprechend zu erachten wäre, noch kann davon ausgegangen werden, dass eine Schwangerschaft in diesem Alter keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr finden würde.
Bayern.Recht
Die 1974 geborene Klägerin ist seit 2009 mit ihrem 1977 geborenen Mann verheiratet. In den Jahren 2011 bis 2013 hatte die Klägerin insgesamt vier Fehlgeburten. Danach entschieden sie sich, Hilfe in einem Zentrum für Reproduktionsmedizin zu suchen. Die einzig realistische Chance zur Erzielung einer fortlaufenden und genetisch unauffälligen Schwangerschaft sah der Arzt in der Durchführung einer IVF mit Mikroinjektion und einer Trophektoderm Biopsie zum Ausschluss genetischer Störungen in der frühen Embryonalentwicklung. Eine ICSI-Behandlung zur Vorbereitung einer Trophektoderm Biopsie sei medizinisch indiziert.
Die private Krankenkasse des Ehemanns lehnte eine Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung im Wesentlichen mit der Begründung ab, aus den vorliegenden Unterlagen könne keine männliche Fertilitätsstörung festgestellt werden. In erster Linie handle es sich um eine chromosomale Fehlverteilung in den Eizellen und nicht in den Spermien. Die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin lehnte ebenfalls eine Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung ab. Maßnahmen der künstlichen Befruchtung könnten nur dann beansprucht werden, wenn eine Schwangerschaft auf anderem Wege nicht herbeigeführt werden könne. Diese Voraussetzung sei bei der Klägerin nicht erfüllt, so dass es eindeutig an einer medizinischen Indikation fehle.
In den Jahren 2014 und 2015 fanden mehrere Behandlungen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung statt. Nach vier erfolglosen Behandlungen wurde von dem Kinderwunschzentrum eine weitere Behandlung abgelehnt. Es folgten weitere Behandlungen in Bregenz und Brüssel, die zu einer Schwangerschaft mit Zwillingen Diese Schwangerschaft ist auf eine Eizellenspende der Schwester der Klägerin zurückzuführen. Anschließend machten beide für das Jahr 2014 Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung i.H.v. 29.126 € als außergewöhnliche Belastung geltend und beantragten die hälftige Aufteilung auf jeden der Ehegatten. Allerdings blieben die Kosten jeweils unberücksichtigt.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage weitestgehend statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Für 2014 sind rund 26.998 € für die Kinderwunschbehandlung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Der BFH erkennt in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird. Voraussetzung ist allerdings weiter, dass die den Aufwendungen zugrundeliegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Und nach § 1 Embryonenschutzgesetz darf in Deutschland eine Eizellenspende, im Gegensatz zu einer Fremdsamenspende, nicht vorgenommen werden. Infolgedessen waren die Behandlungskosten in Bezug auf die gespendeten Eizellen im Jahr 2014 i.H.v. 2.127 € nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen werden.
Erforderlich für den Abzug als außergewöhnliche Belastung ist allerdings auch, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer "Krankheit" der Frau oder des Mannes beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Unter einer "Krankheit" i.d.S. ist mit dem BFH, der seinerseits dem Begriffsverständnis der anderen oberen Bundesgerichte folgt, ein objektiv anomaler regelwidriger Körperzustand zu verstehen. Nach dem FG Berlin-Brandenburg (Urt. 9 K 11390/16) ist davon der Fall abzugrenzen, dass eine objektiv feststellbare herabgesetzten Fertilität nicht auf anormalen organischen Ursachen, sondern auf dem fortgeschrittenen Alter eines Menschen beruht. Es handelt sich in diesem Fall gerade nicht um einen "regelwidrigen" Körperzustand, sondern um die Folge eines natürlichen biologischen Vorgangs.
Dieser Ansicht folgt der Senat jedoch nicht. Das Alter der Klägerin, die bei Beginn der Kinderwunschbehandlung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, stellt keinen Umstand dar, der einer Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen entgegenstehen würde. Es liegen schließlich weder Anzeichen dafür vor, dass die durchgeführte Behandlung in diesem Alter als medizinisch nicht erfolgversprechend zu erachten wäre, noch kann davon ausgegangen werden, dass eine Schwangerschaft in diesem Alter keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr finden würde.