Kürzung der Verpflegungspauschalen auch bei Nichteinnahme zur Verfügung gestellter Mahlzeiten
BFH v. 7.7.2020 - VI R 16/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger war im Streitjahr (2015) Berufssoldat bei der Bundeswehr. Er unterhielt mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in X einen eigenen Hausstand. Seit dem 1.10.2013 war der Kläger in Y stationiert und hatte dort auch eine Wohnung angemietet. Die Bundeswehr stellte dem Kläger in der Kaserne in Y Frühstück, Mittag- und Abendessen zur Verfügung. Für die Inanspruchnahme des Mittag- und des Abendessens hatte der Kläger eine Zuzahlung i.H.v. jeweils 3 €, für die Inanspruchnahme des Frühstücks eine solche i.H.v. 1,63 € pro Mahlzeit zu leisten. Nahm der Kläger eine Mahlzeit nicht ein, erhielt er 150 % des Sachbezugs als steuerpflichtiges Trennungsgeld. Im Streitjahr nahm der Kläger nur das Mittagessen in der Kaserne ein.
Der Kläger war vom 10.11.2014 bis 9.12.2014 krankgeschrieben. Vom 1.6.2015 bis 13.7.2015 war er wegen eines Lehrgangs und wegen Urlaubs nicht in der Kaserne tätig. Vom 8.10.2015 bis 12.11.2015 war er wegen einer Übung und eines anschließenden Urlaubs ebenfalls nicht in der Kaserne anwesend. Unter Berücksichtigung der jeweils nach vierwöchiger Unterbrechung neu beginnenden Dreimonatsfrist gem. § 9 Abs. 4a Sätze 6, 7 und 12 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung machte der Kläger u.a. folgende Verpflegungsmehraufwendungen geltend:
für den Zeitraum 10.12.2014 bis 9.3.2015
19 Tage à 12 € (228 €), 28 Tage à 24 € (672 €), abzgl. 41 x 3 € Mittagessen (123 €) = 777 €
für den Zeitraum 14.7.2015 bis 13.10.2015
25 Tage à 12 € (300 €), 39 Tage à 24 € (936 €), abzgl. 57 x 3 € Mittagessen (171 €) = 1.065 €
für den Zeitraum 15.11.2015 bis 15.2.2016
11 Tage à 12 € (132 €), 12 Tage à 24 € (288 €), abzgl. 19 x 3 € Mittagessen (57 €) = 363 €
gesamt: 2.205 €
Das Finanzamt erkannte lediglich Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe der vom Kläger für die Mittagessen geleisteten Zuzahlungen an. Die weiterhin geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 2.205 € ließ er nicht zum Werbungskostenabzug zu.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Verpflegungspauschalen auch im Hinblick auf die vom Kläger nicht eingenommenen, ihm aber von seinem Arbeitgeber i.S.v. § 9 Abs. 4a Sätze 8 und 12 EStG zur Verfügung gestellten Mahlzeiten zu kürzen waren.
Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten abziehbar. Wird dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt, sind die Verpflegungspauschalen gem. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG um 20 % für Frühstück und um jeweils 40 % für Mittag- und Abendessen zu kürzen. Hat der Arbeitnehmer für die Mahlzeit ein Entgelt gezahlt, mindert dieser Betrag den Kürzungsbetrag nach Satz 8 (§ 9 Abs. 4a Satz 10 EStG).
Im Streitfall hatte das FG zu Recht entschieden, dass die Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Sätze 8 und 12 EStG im Hinblick auf die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeiten zu kürzen waren. Dies gilt auch in Bezug auf Frühstück und Abendessen, obwohl der Kläger diese Mahlzeiten nicht in der Kaserne eingenommen hat. Das Zurverfügungstellen einer Mahlzeit durch den Arbeitgeber (oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten) i.S.v. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG erfordert nicht, dass der Arbeitnehmer die Mahlzeit auch tatsächlich einnimmt. Aus welchen Gründen der Arbeitnehmer eine ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit ebenfalls unerheblich.
Schon der Wortsinn der gesetzlichen Regelung beinhaltet das "zur Verfügung stellen" einer Mahlzeit lediglich im Sinne ihrer Bereitstellung. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, die angebotene bzw. bereitgestellte Mahlzeit anzunehmen. Ob der Arbeitnehmer die Mahlzeit tatsächlich auch annimmt (in Besitz nimmt), ist für die Frage, ob die Mahlzeit zur Verfügung gestellt wurde, ohne Bedeutung. Das Annehmen einer Mahlzeit durch den Arbeitnehmer ist nach der Wortbedeutung etwas anderes als das Zurverfügungstellen, Bereitstellen oder Abgeben derselben durch den Arbeitgeber.
Die Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut wird durch den Gesetzeszweck bestätigt. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der gesetzlichen Neuregelung der Verpflegungsmehraufwendungen in § 9 Abs. 4a EStG eine Vereinfachung gegenüber der früheren Rechtslage. Nach der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 4a Sätze 8 und 12 EStG ist es für die Kürzung der Verpflegungspauschalen auch ohne Bedeutung, dass der Kläger vorliegend nicht verpflichtet war, an der Gemeinschaftsverpflegung in der Kaserne teilzunehmen. Maßgeblich ist allein, dass die Bundeswehr dem Steuerpflichtigen Kläger die entsprechenden Mahlzeiten (Frühstück, Mittag- und Abendessen) zur Verfügung gestellt hat.
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Der Kläger war im Streitjahr (2015) Berufssoldat bei der Bundeswehr. Er unterhielt mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in X einen eigenen Hausstand. Seit dem 1.10.2013 war der Kläger in Y stationiert und hatte dort auch eine Wohnung angemietet. Die Bundeswehr stellte dem Kläger in der Kaserne in Y Frühstück, Mittag- und Abendessen zur Verfügung. Für die Inanspruchnahme des Mittag- und des Abendessens hatte der Kläger eine Zuzahlung i.H.v. jeweils 3 €, für die Inanspruchnahme des Frühstücks eine solche i.H.v. 1,63 € pro Mahlzeit zu leisten. Nahm der Kläger eine Mahlzeit nicht ein, erhielt er 150 % des Sachbezugs als steuerpflichtiges Trennungsgeld. Im Streitjahr nahm der Kläger nur das Mittagessen in der Kaserne ein.
Der Kläger war vom 10.11.2014 bis 9.12.2014 krankgeschrieben. Vom 1.6.2015 bis 13.7.2015 war er wegen eines Lehrgangs und wegen Urlaubs nicht in der Kaserne tätig. Vom 8.10.2015 bis 12.11.2015 war er wegen einer Übung und eines anschließenden Urlaubs ebenfalls nicht in der Kaserne anwesend. Unter Berücksichtigung der jeweils nach vierwöchiger Unterbrechung neu beginnenden Dreimonatsfrist gem. § 9 Abs. 4a Sätze 6, 7 und 12 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung machte der Kläger u.a. folgende Verpflegungsmehraufwendungen geltend:
für den Zeitraum 10.12.2014 bis 9.3.2015
19 Tage à 12 € (228 €), 28 Tage à 24 € (672 €), abzgl. 41 x 3 € Mittagessen (123 €) = 777 €
für den Zeitraum 14.7.2015 bis 13.10.2015
25 Tage à 12 € (300 €), 39 Tage à 24 € (936 €), abzgl. 57 x 3 € Mittagessen (171 €) = 1.065 €
für den Zeitraum 15.11.2015 bis 15.2.2016
11 Tage à 12 € (132 €), 12 Tage à 24 € (288 €), abzgl. 19 x 3 € Mittagessen (57 €) = 363 €
gesamt: 2.205 €
Das Finanzamt erkannte lediglich Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe der vom Kläger für die Mittagessen geleisteten Zuzahlungen an. Die weiterhin geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 2.205 € ließ er nicht zum Werbungskostenabzug zu.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Verpflegungspauschalen auch im Hinblick auf die vom Kläger nicht eingenommenen, ihm aber von seinem Arbeitgeber i.S.v. § 9 Abs. 4a Sätze 8 und 12 EStG zur Verfügung gestellten Mahlzeiten zu kürzen waren.
Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten abziehbar. Wird dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt, sind die Verpflegungspauschalen gem. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG um 20 % für Frühstück und um jeweils 40 % für Mittag- und Abendessen zu kürzen. Hat der Arbeitnehmer für die Mahlzeit ein Entgelt gezahlt, mindert dieser Betrag den Kürzungsbetrag nach Satz 8 (§ 9 Abs. 4a Satz 10 EStG).
Im Streitfall hatte das FG zu Recht entschieden, dass die Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Sätze 8 und 12 EStG im Hinblick auf die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeiten zu kürzen waren. Dies gilt auch in Bezug auf Frühstück und Abendessen, obwohl der Kläger diese Mahlzeiten nicht in der Kaserne eingenommen hat. Das Zurverfügungstellen einer Mahlzeit durch den Arbeitgeber (oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten) i.S.v. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG erfordert nicht, dass der Arbeitnehmer die Mahlzeit auch tatsächlich einnimmt. Aus welchen Gründen der Arbeitnehmer eine ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit ebenfalls unerheblich.
Schon der Wortsinn der gesetzlichen Regelung beinhaltet das "zur Verfügung stellen" einer Mahlzeit lediglich im Sinne ihrer Bereitstellung. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, die angebotene bzw. bereitgestellte Mahlzeit anzunehmen. Ob der Arbeitnehmer die Mahlzeit tatsächlich auch annimmt (in Besitz nimmt), ist für die Frage, ob die Mahlzeit zur Verfügung gestellt wurde, ohne Bedeutung. Das Annehmen einer Mahlzeit durch den Arbeitnehmer ist nach der Wortbedeutung etwas anderes als das Zurverfügungstellen, Bereitstellen oder Abgeben derselben durch den Arbeitgeber.
Die Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut wird durch den Gesetzeszweck bestätigt. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der gesetzlichen Neuregelung der Verpflegungsmehraufwendungen in § 9 Abs. 4a EStG eine Vereinfachung gegenüber der früheren Rechtslage. Nach der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 4a Sätze 8 und 12 EStG ist es für die Kürzung der Verpflegungspauschalen auch ohne Bedeutung, dass der Kläger vorliegend nicht verpflichtet war, an der Gemeinschaftsverpflegung in der Kaserne teilzunehmen. Maßgeblich ist allein, dass die Bundeswehr dem Steuerpflichtigen Kläger die entsprechenden Mahlzeiten (Frühstück, Mittag- und Abendessen) zur Verfügung gestellt hat.