08.05.2017

Luxemburgische Mehrwertsteuer-Regelung in Bezug auf selbständige Zusammenschlüsse von Personen verstößt gegen EU-Recht

Luxemburg hat die Regeln der Mehrwertsteuerrichtlinie in Bezug auf selbständige Zusammenschlüsse von Personen in zu extensiver Weise umgesetzt. Die entsprechende luxemburgische Regelung ist mit der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar.

EuGH 4.5.2017, C-274/15
Der Sachverhalt:
Im EU-Recht unterliegen Dienstleistungen, die Steuerpflichtige (Gesellschaften oder natürliche Personen) erbringen, der Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuerrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG) sieht jedoch unter bestimmten Umständen eine Steuerbefreiung für Dienstleistungen vor, die von "selbständigen Zusammenschlüssen von Personen" ("Zusammenschluss", d.h. ein Zusammenschluss von Unternehmen oder Personen, der selbständig Gegenstände oder Dienstleistungen an seine Mitglieder liefert bzw. erbringt) erbracht werden.

Nach der luxemburgischen Regelung sind die von einem Zusammenschluss an seine Mitglieder erbrachten Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer nicht nur dann befreit, wenn diese Dienstleistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der von der Steuer befreiten Tätigkeiten ihrer Mitglieder erbracht werden, sondern auch dann, wenn der Anteil der steuerbaren Tätigkeiten der Mitglieder (Tätigkeiten, die der Mehrwertsteuer unterliegen) 30 % (oder sogar 45 %) ihres Jahresumsatzes vor Steuern nicht übersteigt. Die Regelung erlaubt den Mitgliedern des Zusammenschlusses zudem, die dem Zusammenschluss in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer für Gegenstände oder Dienstleistungen, die nicht an die Mitglieder, sondern an den Zusammenschluss selbst geliefert/erbracht wurden, abzuziehen. Sie sieht außerdem vor, dass von einem Mitglied im eigenen Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses getätigte Umsätze nicht der Mehrwertsteuer für den Zusammenschluss unterliegen.

Die Kommission hält die luxemburgische Regelung für mit den Regeln der Mehrwertsteuerrichtlinie über selbständige Zusammenschlüsse von Personen unvereinbar und hat daher den EuGH angerufen, um feststellen zu lassen, dass Luxemburg gegen diese Regeln verstoßen hat.

Der EuGH gab der Vertragsverletzungsklage ganz überwiegend statt.

Die Gründe:
Die luxemburgische Regelung über selbständige Zusammenschlüsse von Personen ist mit der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar.

Mehrwertsteuerbefreiungen stellen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz dar, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Gem. dem eindeutigen Wortlaut der Mehrwertsteuerrichtlinie können nur die Dienstleistungen eines Zusammenschlusses für unmittelbare Zwecke der Ausübung steuerbefreiter Tätigkeiten seiner Mitglieder von der Mehrwertsteuer befreit sein. Mit der Regelung, dass die Dienstleistungen eines Zusammenschlusses an seine Mitglieder von der Mehrwertsteuer befreit sind, wenn der Anteil der steuerbaren Tätigkeiten der Mitglieder 30 % (oder sogar 45 %) ihres Jahresumsatzes nicht übersteigt, hat Luxemburg daher die Mehrwertsteuerrichtlinie fehlerhaft umgesetzt.

Der Zusammenschluss selbst ist ein selbständiger Steuerpflichtiger, der Dienstleistungen selbständig an seine Mitglieder erbringt, die von ihm verschieden sind. Angesichts der Selbständigkeit des Zusammenschlusses gegenüber seinen Mitgliedern können diese, anders, als es das luxemburgische Recht erlaubt, vom Betrag der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer nicht die Mehrwertsteuer abziehen, die für an den Zusammenschluss (und nicht unmittelbar an die Mitglieder) gelieferte Gegenstände oder erbrachte Dienstleistungen geschuldet wird oder entrichtet worden ist. Folglich hat Luxemburg auch in diesem Punkt die Mehrwertsteuerrichtlinie nicht richtig umgesetzt.

Aufgrund der Selbständigkeit des Zusammenschlusses gegenüber seinen Mitgliedern ist jeder Umsatz zwischen dem Zusammenschluss und einem seiner Mitglieder als Umsatz zwischen zwei Steuerpflichtigen zu betrachten. Er fällt damit in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Demnach hat Luxemburg auch insoweit die Mehrwertsteuerrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, als es vorgesehen hat, dass Umsätze, die ein Mitglied im eigenen Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses tätigt, von der Mehrwertsteuer für den Zusammenschluss befreit sein können.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 46 vom 4.5.2017
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