Marktanpassungsabschlag bei Bewertung eines Miteigentumsanteils
FG Münster v. 24.11.2022, 3 K 1201/21 FDer Kläger hatte im Wege eines Vermächtnisses einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück erworben. Aus einem vom Kläger auf den Bewertungsstichtag eingeholten Wertgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte ergab sich ein Verkehrswert für das gesamte Grundstück von 150.000 € (Bodenwert abzüglich Abrisskosten) und ein Verkehrswert für den hälftigen Miteigentumsanteil von 60.000 €. Im Gutachten wurde ausgeführt, dass vom hälftigen Verkehrswert im Wege der Marktanpassung ein Abschlag vorzunehmen sei, weil der Erwerb eines Miteigentumsanteils für Dritte mit erheblichen Risiken verbunden sei. Diesen Abschlag bezifferte der Gutachterausschuss wegen Erfahrungen aus Zwangsversteigerungsverfahren und Beleihungswertgrenzen von Banken mit etwa 20 %.
Das Finanzamt erkannte den Abschlag nicht an und stellte den Grundbesitzwert für den Miteigentumsanteil auf 75.000 € fest, da die Marktgängigkeit eines Miteigentumsanteils bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen sei. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage vollumfänglich statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Der durch Vermächtnis erworbene Miteigentumsanteil für Erbschaftsteuerzwecke war mit 60.000 € zu bewerten. Der Kläger hat den Nachweis gem. § 198 Satz 1 BewG erbracht, dass der gemeine Wert des Miteigentumsanteils niedriger ist als der nach §§ 182 ff. BewG ermittelte (Bedarfs-)Wert.
Das Gesetz beschränkt sich nicht auf den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Volleigentums, sondern lässt auch eine Bewertung unterhalb des rechnerischen Bruchteils des Werts des Volleigentums zu. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut, der auf den gemeinen Wert der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit - im Streitfall also den Miteigentumsanteil - abstellt. Doch auch nach Sinn und Zweck des § 198 Satz 1 BewG sollten sämtliche wertbeeinflussenden Umstände geltend gemacht werden können.
Das vom Kläger eingereichte Sachverständigengutachten war zudem geeignet, den niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Es entsprach den Vorgaben der ImmoWertVO und war im Ergebnis plausibel, was hinsichtlich der Ermittlung des Werts des Volleigentums zwischen den Beteiligten auch nicht streitig war. Die modifizierte rechnerische Ableitung des gemeinen Werts des Miteigentumsanteils war ebenfalls plausibel und nachvollziehbar. Die Berücksichtigung eines Marktanpassungsabschlags entspricht den Vorgaben des § 7 Abs. 2 der ImmoWertVO. Für die spezielle Bewertung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück lagen hier keine spezifischen Daten vor, sodass ein marktüblicher Abschlag zu schätzen war.
Der Senat ist der Begründung des Gutachterausschusses in Bezug auf die Bewertung von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren und auf die Beleihungswertgrenzen von Banken zwar nicht gefolgt, weil nicht erkennbar war, dass sich hieraus Rückschlüsse auf den Verkehrswert ziehen ließen. Allerdings blieb die weitere Begründung, dass der Erwerb eines Miteigentumsanteils für Dritte mit erheblichen Risiken verbunden sei und deshalb zu einem geringeren Verkehrswert führe, in der Sache nachvollziehbar. Schon der Umstand, dass die Verwaltung eines gemeinschaftlichen Gegenstands grundsätzlich allen Beteiligten einer Bruchteilsgemeinschaft gemeinschaftlich zusteht, erfordert einen hohen Abstimmungsbedarf und birgt damit einhergehend ein erhebliches Streitrisiko. Im Streitfall kam noch hinzu, dass die vorhandene Bausubstanz wirtschaftlich wertlos war. Eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung durch Abriss und Neubau hingen maßgeblich von der Mitwirkung der anderen Miteigentümer ab. Die Höhe des Abschlags von 20 % war nachvollziehbar, weil der Gutachterausschuss einschlägige Fachliteratur hierzu ausgewertet hatte.
Allerdings hat der BFH unter der Geltung des aktuellen § 198 BewG, auch in der zum Stichtag anzuwendenden Fassung, noch nicht über die Frage entschieden, ob der Nachweis generell zulässig ist, dass ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück weniger wert sein kann, als es dem rechnerischen Anteil am gemeinen Wert des Grundstücks entspricht. Überdies hatte er zu § 146 Abs. 7 BewG a.F. zuletzt offen gelassen, ob diese Frage unter der alten Rechtslage nicht mehr klärungsbedürftig sei (BFH-Beschl. v. 2.7.2008, II B 46/07).
Aufsatz
Karl-Heinz Günther
Aktuelle FG-Rechtsprechung zum Ertragsteuerrecht
EStB 2023, 34
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