Mehrere Rechtsfragen zum Vorsteuerabzug einer Holding und zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft geklärt
BFH 19.1.2016, XI R 38/12Die Klägerin ist eine AG. Sie erwirbt, betreibt und veräußert Seeschiffe. Daneben erwirbt und verwaltet sie insbesondere im Bereich der Schifffahrt in- und ausländische Beteiligungen und Finanzanlagen. Im Streitjahr 2006 hatte die Klägerin als Konzernobergesellschaft und geschäftsführende Holdinggesellschaft vier Schiffs-KGs jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gegründet. An diese erbrachte sie entgeltliche administrative und kaufmännische Dienstleistungen. Daneben legte sie u.a. Kapital verzinslich bei einer Bank an. Zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit und des Erwerbs der Anteile an den Tochtergesellschaften bezog die Klägerin ihrerseits Dienstleistungen von anderen Unternehmen (wie etwa die Erstellung eines Ausgabeprospekts und Rechtsberatungsleistungen).
Die Klägerin begehrte für die auf die Dienstleistungen entfallende Umsatzsteuer den vollen Vorsteuerabzug. Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH im Anschluss an der in diesem Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des EuGH vom 18.7.2015 (C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt) das Urteil der Vorinstanz auf und wie die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Zwar hatte das FG zu Recht entschieden, dass der Klägerin als geschäftsleitender Holding der Vorsteuerabzug für die bezogenen Eingangsleistungen dem Grunde nach zusteht. Allerdings ist die verzinsliche Anlage eines Teils des eingeworbenen Kapitals bei einer Bank ein umsatzsteuerfreier Umsatz, so dass die mit der Kapitalanlage in Zusammenhang stehende Vorsteuer hier (anteilig) nicht abziehbar war. Auf die erforderliche Vorsteueraufteilung konnte auch nicht aufgrund der Vereinfachungsregelung des § 43 UStDV verzichtet werden, da die verzinsliche Anlage von Kapital zur Haupttätigkeit der Klägerin gehört. Insoweit war die Sache nicht spruchreif.
Ein zweiter Schwerpunkt der Entscheidung war die Frage, ob eine GmbH & Co. KG im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft Organgesellschaft sein kann. Insofern ließ sich sagen, dass, wenn eine Organschaft besteht, die im Inland gelegenen Unternehmensteile des Organträgers und seiner Organgesellschaften als ein Unternehmen zu behandeln sind und der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen wird, die der Organkreis gegenüber Dritten erbringt.
Liegt eine Organschaft vor, wirkt sich dies deshalb auf die Höhe der gegenüber dem Organträger festzusetzenden Umsatzsteuer aus. Voraussetzung hierfür ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist, was nach bisherigen deutschem Verständnis ein Verhältnis der Unterordnung der Organgesellschaft unter den Organträger voraussetzt.
Im Anschluss an das EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt ist festzustellen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG jedenfalls insoweit unionsrechtswidrig ist, als die Vorschrift vorsieht, dass eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann. Dieser Ausschluss ist weder zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen noch zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und angemessen. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG ist dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass der Begriff "juristische Person" auch eine GmbH & Co. KG umfasst. Er knüpft dabei an die Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG an, die dieselbe Auslegung in anderem Zusammenhang bereits ebenfalls vorgenommen haben.
Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, mit Unionsrecht vereinbar ist, konnte aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG offengelassen werden. Der V. Senat hat dazu mit Urteil vom 2.12.2013 (Az.: V R 15/14) die Auffassung vertreten, es sei weiter daran festzuhalten, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der Organgesellschaft verfügen muss und dass zudem im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Organgesellschaft bestehen muss.
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