26.10.2017

Mehrwertsteuer auf Bridge-Turniere?

Duplicate-Bridge fällt nicht unter den Begriff "Sport" i.S.d. Mehrwertsteuerrichtlinie und kann daher nicht als solcher von der Mehrwertsteuer befreit werden. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Mitgliedstaaten annehmen können, dass Duplicate-Bridge unter den Begriff "kulturelle Dienstleistungen" i.S.d. Richtlinie fällt.

EuGH 26.10.2017, C-90/16
Der Sachverhalt:
The English Bridge Union (EBU) ist eine nationale Organisation zur Regelung und Entwicklung von Duplicate-Bridge in England. Dieses Kartenspiel ist eine Variante des Bridge-Spiels und wird auf nationaler und internationaler Ebene in Wettkämpfen gespielt, wobei jedes Paar nachfolgend dasselbe Blatt wie die Teilnehmer an den anderen Tischen spielt. Die Rangfolge wird so entsprechend den jeweiligen Ergebnissen erstellt. Die EBU organisiert diese Duplicate-Bridge-Turniere und verlangt von den Spielern eine Teilnahmegebühr. Sie führt auf diese Gebühren Mehrwertsteuer ab.

Die EBU verlangte die Rückerstattung dieser Steuer gemäß der Mehrwertsteuerrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG). Sie ist der Auffassung, dass sie in den Genuss der Steuerbefreiung kommen müsse, die die Richtlinie bestimmten, in engem Zusammenhang mit Sport stehenden Dienstleistungen einräume. Die Steuerverwaltung lehnte diesen allerdings Antrag mit der Begründung ab, dass die Vorschriften, nach denen bestimmte, "in engem Zusammenhang mit Sport ... stehende Dienstleistungen" von der Steuer befreit seien, voraussetzten, dass ein "Sport" eine bedeutende körperliche Komponente enthalten müsse.

Die hiergegen gerichtete Klage der EBU wurde abgewiesen. Das mit dem Rechtsmittel gegen dieses Urteil befasste Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) führte aus, dass Duplicate-Bridge zwar hohe intellektuelle Fähigkeiten voraussetze, fragte aber den EuGH, ob es sich dabei um einen "Sport" i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG handelt. Der EuGH hat dies nun verneint.

Gründe:
Das Gericht musste nicht die Bedeutung des Begriffs "Sport" im Allgemeinen bestimmen, sondern diesen im Rahmen der Mehrwertsteuerrichtlinie auslegen. Die Bedeutung des Begriffs "Sport" ist, da er in dieser Richtlinie nicht definiert wird, nach ständiger Rechtsprechung entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang er verwendet wird und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden. Da im Kontext der Mehrwertsteuerbefreiungen Ausnahmen eng auszulegen sind, ist die Auslegung des Begriffs "Sport" in der Richtlinie 2006/112/EG auf Tätigkeiten beschränkt, die dem gewöhnlichen Sinn des Begriffs "Sport" entsprechen und die sich durch eine nicht unbedeutende körperliche Komponente auszeichnen.

Bridge hingegen setzt zwar Logik, Gedächtnisvermögen und strategisches Denken voraus und kann der geistigen und körperlichen Gesundheit derer, die es regelmäßig spielen, förderlich sein. Allerdings ist die Tatsache, dass eine Tätigkeit der körperlichen und geistigen Gesundheit förderlich ist, für sich allein genommen noch kein hinreichender Anhaltspunkt für die Schlussfolgerung, dass diese Tätigkeit unter den Begriff "Sport" i.S.d. Richtlinie fällt. Der Umstand, dass eine der körperlichen und geistigen Gesundheit förderliche Tätigkeit in Wettkämpfen ausgetragen wird, lässt keinen anderen Schluss zu.

Infolgedessen fällt eine Tätigkeit wie Duplicate-Bridge, die sich durch eine unbedeutend erscheinende körperliche Komponente auszeichnet, nicht unter den Begriff "Sport" i.S.d. Mehrwertsteuerrichtlinie. Allerdings greift eine solche Auslegung nicht der Frage vorweg, ob eine Tätigkeit, die eine unbedeutend erscheinende körperliche Komponente enthält, unter den Begriff "kulturelle Dienstleistungen" i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen könnte, wenn diese Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer Ausübung, ihrer Geschichte und der Traditionen, zu denen sie gehört, im sozialen und kulturellen Erbe eines Landes einen solchen Platz einnimmt, dass sie als Teil seiner Kultur angesehen werden kann.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext (englisch) der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH Pressemitteilung vom 26.10.2017
Zurück