Mitunternehmerschaft und sachliche Gewerbesteuerpflicht für eine juristische Sekunde
Kurzbesprechung
BFH v. 15.6.2023 - IV R 30/19
GewStG § 2 Abs 1, § 7 S 2 Nr. 2
EStG § 5 Abs 1, § 6 Abs 5, § 15 Abs 1 S 1, § 15 Abs 2, § 15 Abs 3 Nr. 2
AO § 39 Abs 1, § 39 Abs 2 Nr. 1, § 41 Abs 1
FGO § 120 Abs 3 Nr. 2 Buchst a
BGB § 134
GG Art 106 Abs 6
UmwG § 123, § 131 Abs 1 Nr. 1
UmwStG 2006 § 20 Abs 5, § 20 Abs 6, § 24
KredWG § 32
Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt ein stehender Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer. Bei natürlichen Personen und Personengesellschaften unterwirft das Gesetz die konkret ausgeübte werbende Tätigkeit der Gewerbesteuer. Deshalb beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht der unter § 2 Abs. 1 GewStG fallenden Gewerbebetriebe erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines (originären oder fiktiven) Gewerbebetriebs erfüllt sind und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist.
Maßgebend für den Beginn eines Gewerbebetriebs im Sinne von § 2 Abs. 1 GewStG ist der Beginn der werbenden Tätigkeit. Entscheidend ist, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind, so dass das Unternehmen sich daran mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann. Davon abzugrenzen sind bloße Vorbereitungshandlungen, die gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlich sind.
Der Zeitpunkt des Beginns der werbenden Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten unterschiedlich zu bestimmen sein. Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich nach dem von der Gesellschaft verfolgten Gegenstand ihrer Tätigkeit. Dabei kann auch auf den im Gesellschaftsvertrag beschriebenen Gegenstand des Unternehmens zurückgegriffen werden. Allerdings handelt es sich insoweit lediglich um ein Indiz; letztlich maßgebend ist die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit.
Auch die Tätigkeit einer im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt zu einem stehenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG, obwohl diese Gesellschaft keine originär gewerblichen Einkünfte erzielt. Denn auch hierbei handelt es sich um ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG), weil die Tätigkeit der Personengesellschaft in Folge der steuerlichen Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Gewerbebetrieb gilt.
Nachdem die Tätigkeit einer gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft nicht die Aufnahme einer originär gewerblichen Tätigkeit voraussetzt, hängt der Beginn der Gewerbesteuerpflicht bei einer solchen Personengesellschaft indes nicht davon ab, dass diese die in § 15 Abs. 2 EStG aufgeführten Tatbestandsmerkmale verwirklicht. Vielmehr ist hier für den Beginn des Gewerbebetriebs (nur) auf den Beginn der werbenden Tätigkeit abzustellen, so dass die (sachliche) Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten Personengesellschaft mit der Aufnahme ihrer vermögensverwaltenden Tätigkeit beginnt.
Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich auch hier nach dem von der Gesellschaft verfolgten Gegenstand ihrer Tätigkeit. Dabei kann gleichfalls ‑ als Indiz ‑ auch auf den im Gesellschaftsvertrag beschriebenen Gegenstand des Unternehmens zurückgegriffen werden. Letztlich maßgeblich ist auch bei der gewerblich geprägten Personengesellschaft die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit.
Ist eine Personengesellschaft allerdings zu dem Zweck gegründet worden, eine originär gewerbliche Tätigkeit zu entfalten und erfüllt diese Gesellschaft im Übrigen die Merkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, so beginnt der Gewerbebetrieb nicht allein wegen der in der Vorbereitungsphase der originär gewerblichen Tätigkeit üblicherweise anfallenden vermögensverwaltenden Tätigkeiten bereits mit deren Aufnahme.
Im Streitfall hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf, denn das FG hatte für die Frage, ob die Gesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat oder als gewerblich geprägte Personengesellschaft vermögensverwaltend tätig geworden ist, nicht maßgeblich auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der Gesellschaft abgestellt, sondern im Wesentlichen auf die Absicht der an ihr beteiligten Gesellschafter. Der BFH wies den Streitfall an das FG zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung u.a. deshalb zurück, weil der Annahme eines Gewerbebetriebs nicht entgegensteht, dass die werbende Tätigkeit nur in einer juristischen Sekunde ausgeübt wurde. Denn eine Personengesellschaft kann sowohl Mitunternehmerschaft sein als auch als gewerblich geprägte Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb unterhalten, wenn sie nur für eine juristische Sekunde Inhaberin von zu verwaltendem Vermögen wird, bevor sie durch Ausscheiden ihres vorletzten Gesellschafters und Anwachsung des Vermögens bei dem verbleibenden Gesellschafter liquidationslos beendet wird.
Verlag Dr. Otto Schmidt
GewStG § 2 Abs 1, § 7 S 2 Nr. 2
EStG § 5 Abs 1, § 6 Abs 5, § 15 Abs 1 S 1, § 15 Abs 2, § 15 Abs 3 Nr. 2
AO § 39 Abs 1, § 39 Abs 2 Nr. 1, § 41 Abs 1
FGO § 120 Abs 3 Nr. 2 Buchst a
BGB § 134
GG Art 106 Abs 6
UmwG § 123, § 131 Abs 1 Nr. 1
UmwStG 2006 § 20 Abs 5, § 20 Abs 6, § 24
KredWG § 32
Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt ein stehender Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer. Bei natürlichen Personen und Personengesellschaften unterwirft das Gesetz die konkret ausgeübte werbende Tätigkeit der Gewerbesteuer. Deshalb beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht der unter § 2 Abs. 1 GewStG fallenden Gewerbebetriebe erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines (originären oder fiktiven) Gewerbebetriebs erfüllt sind und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist.
Maßgebend für den Beginn eines Gewerbebetriebs im Sinne von § 2 Abs. 1 GewStG ist der Beginn der werbenden Tätigkeit. Entscheidend ist, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind, so dass das Unternehmen sich daran mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann. Davon abzugrenzen sind bloße Vorbereitungshandlungen, die gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlich sind.
Der Zeitpunkt des Beginns der werbenden Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten unterschiedlich zu bestimmen sein. Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich nach dem von der Gesellschaft verfolgten Gegenstand ihrer Tätigkeit. Dabei kann auch auf den im Gesellschaftsvertrag beschriebenen Gegenstand des Unternehmens zurückgegriffen werden. Allerdings handelt es sich insoweit lediglich um ein Indiz; letztlich maßgebend ist die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit.
Auch die Tätigkeit einer im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt zu einem stehenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG, obwohl diese Gesellschaft keine originär gewerblichen Einkünfte erzielt. Denn auch hierbei handelt es sich um ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG), weil die Tätigkeit der Personengesellschaft in Folge der steuerlichen Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Gewerbebetrieb gilt.
Nachdem die Tätigkeit einer gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft nicht die Aufnahme einer originär gewerblichen Tätigkeit voraussetzt, hängt der Beginn der Gewerbesteuerpflicht bei einer solchen Personengesellschaft indes nicht davon ab, dass diese die in § 15 Abs. 2 EStG aufgeführten Tatbestandsmerkmale verwirklicht. Vielmehr ist hier für den Beginn des Gewerbebetriebs (nur) auf den Beginn der werbenden Tätigkeit abzustellen, so dass die (sachliche) Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten Personengesellschaft mit der Aufnahme ihrer vermögensverwaltenden Tätigkeit beginnt.
Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich auch hier nach dem von der Gesellschaft verfolgten Gegenstand ihrer Tätigkeit. Dabei kann gleichfalls ‑ als Indiz ‑ auch auf den im Gesellschaftsvertrag beschriebenen Gegenstand des Unternehmens zurückgegriffen werden. Letztlich maßgeblich ist auch bei der gewerblich geprägten Personengesellschaft die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit.
Ist eine Personengesellschaft allerdings zu dem Zweck gegründet worden, eine originär gewerbliche Tätigkeit zu entfalten und erfüllt diese Gesellschaft im Übrigen die Merkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, so beginnt der Gewerbebetrieb nicht allein wegen der in der Vorbereitungsphase der originär gewerblichen Tätigkeit üblicherweise anfallenden vermögensverwaltenden Tätigkeiten bereits mit deren Aufnahme.
Im Streitfall hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf, denn das FG hatte für die Frage, ob die Gesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat oder als gewerblich geprägte Personengesellschaft vermögensverwaltend tätig geworden ist, nicht maßgeblich auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der Gesellschaft abgestellt, sondern im Wesentlichen auf die Absicht der an ihr beteiligten Gesellschafter. Der BFH wies den Streitfall an das FG zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung u.a. deshalb zurück, weil der Annahme eines Gewerbebetriebs nicht entgegensteht, dass die werbende Tätigkeit nur in einer juristischen Sekunde ausgeübt wurde. Denn eine Personengesellschaft kann sowohl Mitunternehmerschaft sein als auch als gewerblich geprägte Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb unterhalten, wenn sie nur für eine juristische Sekunde Inhaberin von zu verwaltendem Vermögen wird, bevor sie durch Ausscheiden ihres vorletzten Gesellschafters und Anwachsung des Vermögens bei dem verbleibenden Gesellschafter liquidationslos beendet wird.