16.11.2023

Monatsbezug der Abrechnung über Säumniszuschläge in Kindergeldfällen

1. Säumniszuschläge für fällige Kindergeldrückforderungen sind in einem Abrechnungsbescheid nach Art, Zeitraum und Betrag getrennt aufzuführen; die Abrundung auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag erfolgt monatsbezogen.
2. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass Familienkassen in den sogenannten Weiterleitungsfällen die Erfüllungswirkung der Weiterleitung nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt der Vorlage der wirksamen Weiterleitungserklärung des anderen Elternteils anerkennen.
3. Der Umdeutung bedarf es nicht, wenn sich der beabsichtigte Inhalt eines Abrechnungsbescheids bereits im Wege der Auslegung bestimmen lässt und die erlassende Behörde im Rahmen der Einspruchsentscheidung eine entsprechende Klarstellung vornimmt; darin liegt auch keine unzulässige Verböserung.

Kurzbesprechung
BFH v. 17.8.2023 - III R 37/22

AO § 3 Abs 4, § 37 Abs 2, § 119 Abs 1, § 125, § 128, § 218 Abs 2 S 1, § 226, § 240
BGB § 133, § 157, § 184, § 367, § 389
EStG § 66 Abs 2
GG Art 3 Abs 1


Gemäß § 218 Abs. 2 Satz 1 AO entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO) betrifft.

Der Abrechnungsbescheid enthält grundsätzlich nur die Feststellung, ob und inwieweit der festgesetzte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bereits verwirklicht (also erfüllt) oder noch zu verwirklichen ist. Als Ausnahme ist anerkannt, dass der Abrechnungsbescheid bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nicht nur über den Fortbestand der Zahlungsverpflichtung, sondern auch darüber entscheidet, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Säumniszuschläge überhaupt entstanden sind.

Im Streitfall war bereits der ursprüngliche Abrechnungsbescheid über "Steuerliche Nebenleistungen (Zinsen)" nach dem Empfängerhorizont als ein Abrechnungsbescheid über steuerliche Nebenleistungen in Gestalt von Säumniszuschlägen auszulegen. Schon deshalb war die Familienkasse berechtigt, den offensichtlich irrigen Klammerzusatz ("Zinsen") in der nachfolgenden Einspruchsentscheidung zu berichtigen.

Die Einspruchsentscheidung beinhaltet nach dieser Bescheidauslegung auch keine unzulässige Verböserung. Die Familienkasse hatte nach der erneuten Sachprüfung in ihrer Einspruchsentscheidung klargestellt, dass es sich bei den im Abrechnungsbescheid genannten "Zinsen" um Säumniszuschläge handelte. Hierin lag eine bloße Korrektur einer offenkundigen Falschbezeichnung. Eines vorherigen Hinweises auf eine beabsichtigte Verböserung bedurfte es daher nicht, weil die bloße Klarstellung keine Änderung des Abrechnungsbescheids zum Nachteil des Anspruchsberechtigten im Sinne des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO war.

Die entstandenen Säumniszuschläge waren auch nicht durch die spätere Anerkennung der teilweisen Weiterleitung des Kindergelds an die Mutter entfallen. Die für die Familienkassen geltenden Verwaltungsanweisungen sehen im Falle der Erhebung des Weiterleitungseinwandes die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme vor. Der BFH hat keine rechtlichen Bedenken, wenn die Familienkassen die Erfüllungswirkung einer anerkannten Weiterleitung nicht ex tunc, sondern lediglich ex nunc annehmen. Da es an einer Gegenseitigkeit der Forderungen (hier der Mutter gegen die Familienkasse) und Rückforderungen (hier der Rückforderung der Familienkasse gegen den Anspruchsberechtigen) fehlt, kommt eine rückwirkende Berücksichtigung nach § 75 Abs. 1 EStG, § 226 Abs. 1, § 47 AO i.V.m. § 389 BGB nicht in Betracht.

Für die Unbedenklichkeit dessen, dass Säumniszuschläge nicht rückwirkend entfallen, spricht auch die in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO zum Ausdruck kommende gesetzliche Wertung. Nach dieser Vorschrift bleiben, wenn die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird, die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt.

Im Streitfall war die Abrechnung der Familienkasse über die vom Anspruchsberechtigen verwirkten Säumniszuschläge für neun angefangene Monate allerdings nicht hinreichend bestimmt und inhaltlich unrichtig, da die Familienkasse die Gesamtforderung abgerundet hatte und nicht ‑ wie erforderlich ‑ die den einzelnen Kindergeldmonat betreffende Rückforderung. Der Abrechnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung war daher bezüglich der steuerlichen Nebenleistungen rechtswidrig.

Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Abrechnungsbescheids bezüglich der Säumniszuschläge war das FG-Urteil daher aufzuheben. Der insoweit rechtswidrige Abrechnungsbescheid war jedoch nicht insgesamt aufzuheben, vielmehr ist er bezogen auf den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung entsprechend zu korrigieren.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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