29.08.2018

Muss der Zwangsverwalter die Einkommensteuer des Schuldners entrichten?

Ernstlich zweifelhaft ist eine Rechtsfrage auch dann, wenn sie seitens der Zivilgerichte (selbst wenn sie vom BGH noch nicht abschließend beurteilt wurde) anders beantwortet wird als vom BFH. Der Frage, ob der Zwangsverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners als eigene zu erfüllen hat, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

FG Düsseldorf 10.7.2018, 3 V 1143/18 A (E)
Der Sachverhalt:

Der Antragsteller war am 24.8.2015 in einem Zwangsverwaltungsverfahren über ein Grundstück zum Zwangsverwalter bestellt worden. Am 20.11.2017 setzte das Finanzamt die anteilige Einkommensteuer 2016 gegenüber dem Antragsteller "als Zwangsverwalter des Grundstücks (Grundstückseigentümerin: Frau U)" fest. Die Einkommensteuer wurde dabei auf der Grundlage einer entsprechenden Erklärung des Antragstellers i.H.v. 360 €, der Solidaritätszuschlag i.H.v. 19 € und Kirchensteuer i.H.v. 32 € festgesetzt. Die Behörde stützte sich dabei auf das BGH-Urteil vom 10.2.2015 (Az.: IX R 23/14) und das BMF-Schreiben vom 3.5.2017 (IV A 3-S 0550/15/10028).

Der Antragsteller erklärte dem Finanzamt, dass er in einem ähnlichen Fall vom AG angewiesen worden sei, keine Zahlung auf die private Einkommensteuer des Schuldners zu leisten. Das Finanzamt wies den Einspruch zurück und lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Am 16.1.2018 übersandte der Antragsteller dem Finanzamt einen Beschluss des AG vom 8.1.2018, mit dem der Antragsteller angewiesen worden war, keine Zahlungen auf die Einkommensteuerschuld der Vollstreckungsschuldnerin zu leisten. So stehe das BMF-Schreiben vom 3.5.2017 im Widerspruch zu § 11 ZwVwV i.V.m. §§ 155 Abs. 1, 156 ZVG und sei im Zwangsverwaltungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

Daraufhin erklärte das Finanzamt, dass der angefochtene Bescheid in Übereinstimmung mit der BFH-Rechtsprechung ergangen sei und der Beschluss des AG keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung habe. Der Antragsteller könne sich nicht auf eine Bindungswirkung des Beschlusses berufen, denn die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des AG sei für den Antragsteller erkennbar, so dass es ihm obliege, gegebenenfalls Rechtsmittel gegen den Beschluss einzulegen. Zudem sei die Einkommensteuerforderung bereits am 27.12.2017 fällig und bereits vor Ergehen des Beschlusses des AG an die Finanzbehörde zu entrichten gewesen. Bei fristgerechter Zahlung wäre er nicht in die Pflichtenkollision geraten. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte es erneut ab.

Mit Schreiben vom 31.1.2018 teilte der Antragsteller dem Finanzamt mit, dass es sich bei dem Beschluss des AG um eine zivilrechtliche Weisung nach dem ZVG handele. Ihm seien mehrere gleich gelagerte Fälle bekannt, weshalb es sich weder um einen Einzelfall noch um einen erkennbar rechtswidrigen Beschluss handeln könne. Der Antragsteller beantragte erneut die Aussetzung der Vollziehung, der als Einspruch gegen die Ablehnung des vorherigen Antrags ausgelegt wurde. Der Einspruch des wurde als unbegründet zurückgewiesen. Über die hiergegen gerichtete Klage (Az.: 3 K 1129/18) ist noch nicht entschieden worden. Das FG hat die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2016 bis einen Monat nach Beendigung des Klageverfahrens gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 412 € ausgesetzt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Beschwerde zugelassen.

Die Gründe:

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des an den Antragsteller als Zwangsverwalter adressierten Einkommensteuerbescheides.

Ernstlich zweifelhaft ist eine Rechtsfrage nach allgemeiner Auffassung dann, wenn sie von zwei obersten Bundesgerichten unterschiedlich beurteilt worden ist, wenn zwei Senate des BFH dieselbe Rechtsfrage verschieden beantwortet haben oder wenn zwei Instanzgerichte zu einer höchstrichterlich bisher nicht geprüften Frage eine unterschiedliche Rechtsauffassung vertreten. Nach Auffassung des Senats muss dies auch gelten, wenn seitens der Zivilgerichte eine Rechtsfrage, auch wenn sie vom BGH noch nicht abschließend beurteilt worden ist, anders beantwortet wird als vom BFH.

Dies gilt vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung insbesondere dann, wenn eine Rechtsfrage (hier: ob der Zwangsverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners als eigene zu erfüllen hat) von den Zivilgerichten in Form von Weisungen flächendeckend anders beurteilt wird als vom BFH. Im vorliegenden Fall ist der Antragsteller sogar durch Beschluss des AG angewiesen worden, keine Zahlungen auf die Einkommensteuer zu leisten. Dieser Beschluss ist entgegen der Auffassung der Behörde nicht erkennbar nichtig.

Der Senat hält es im Streitfall für ermessensgerecht, die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung i.H. des insgesamt ausgesetzten Betrages abhängig zu machen. Denn es erscheint unter den gegebenen Umständen fraglich, ob die Steuerschuld zu einem späteren Zeitpunkt beim Antragsteller noch realisiert werden kann. Dies ergibt sich daraus, dass auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des IX. Senats des BFH die Rechte und Pflichten des Zwangsverwalters zeitlich durch die Dauer des Verfahrens begrenzt sind und sich der Anspruch des Fiskus auch nur gegen das liquide Verwaltungsvermögen richtet.

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