06.11.2017

Muss ein Landwirt eine Entschädigungszahlung von der Deutschen Bahn als sonstige Leistung versteuern?

Zur Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Landwirt eine Entschädigungszahlung für seine Einwilligung in die Schließung eines ausschließlich von ihm genutzten Bahnübergangs als sonstige Leistung versteuern muss. Die EuGH-Entscheidung (Az.: C-548/17)könnte, falls der EuGH die Steuerentstehung nicht nur vom Leistungszeitpunkt, sondern auch vom Zeitpunkt der Entgeltzahlung abhängig macht, Bedeutung für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits haben.

FG Münster 28.9.2017, 5 K 1117/16 U
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Landwirt. Im Streitjahr 2006 unterlag er mit seinen land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG. Ein Bahnübergang gewährleistete den unmittelbaren Zugang von der Hofstelle zu den jenseits der Bahntrasse gelegenen landwirtschaftlich genutzten Eigentumsflächen des Klägers. Die DB Netz AG beabsichtigte allerdings aus Gründen der Sicherheit und Abwicklung des Verkehrs die Schließung von Privatweg-Bahnübergängen, u.a. auch den des Klägers. Mit Planfeststellungsbeschluss vom 14.10.2003 wurde gem. § 18 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) der Plan der DB Netz AG für die Schließung des Bahnübergangs festgestellt.

Der Kläger versuchte zunächst mit einer Klage vor dem VG gegen den Planfeststellungsbeschluss die Schließung seines Bahnübergangs zu verhindern. Mit Vereinbarung vom 18.5.2005 zwischen der DB Netz AG und dem Kläger stimmte letzterer der Aufhebung des Bahnübergangs zu. Die DB Netz AG verpflichtete sich zum Bau eines Ersatzwegs und zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags von 128.369 €.
In der Folgezeit stritt der Kläger mit dem Finanzamt darüber, ob eine Zahlung im Zusammenhang mit der Schließung eines Bahnübergangs Schadensersatz oder umsatzsteuerliches Entgelt darstellt und ob im Fall der Annahme eines steuerbaren Umsatzes dieser im Streitjahr zu erfassen ist und unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG fällt und hilfsweise, ob pauschaliert zu berechnende Vorsteuern zu berücksichtigen sind.

Das FG gab der gegen den erstmaligen Umsatzsteuerbescheid gerichteten Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die streitbefangene Entschädigung stellt zwar keinen Schadensersatz dar, sondern umsatzsteuerrechtliches Entgelt, das für eine Leistung des Klägers gezahlt wurde. Die Leistung des Klägers wurde allerdings nicht im Streitjahr 2006, sondern im Jahr 2005 erbracht. Denn gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 UStG ist der Umsatz in 2005 zu erfassen, da dem Kläger keine Versteuerung seiner Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) genehmigt wurde.

Die sonstige Leistung des Klägers bestand in der schriftlichen Einwilligung im Jahr 2005 zur Schließung des bisherigen Bahnübergangs und der gleichzeitigen Rücknahme der Klage vor dem VG gegen den Planfeststellungsbeschluss. Mit diesen Maßnahmen hatte der Kläger einer Beschränkung seines Eigentums, nämlich der Verschlechterung der Verkehrsanbindung zu seiner Hofstelle, zugestimmt. Der Vorteil für die DB Netz AG lag darin, dass ein zeitaufwändiges Enteignungsverfahren vermieden worden ist und unmittelbar ein Entschädigungsverfahren durchgeführt werden konnte (§ 22 Abs. 3 AEG).

Der Senat teilt nicht die Finanzamt vertretene Auffassung, dass die Leistung des Klägers darin bestand, eine Beendigung einer Duldungsleistung der DB Netz AG zu akzeptieren. Die DB Netz AG hat keine Duldungsleistung an den Kläger erbracht, die hätte beendet werden können. Der Bahnübergang war bereits 1999 gem. § 41 FlurbG als öffentliche bzw. gemeinschaftliche Anlage festgestellt worden. Damit war das Nutzungsrecht des Klägers am Bahnübergang rechtsgestaltend geregelt worden. Einer "Duldung" durch die DB Netz AG bedurfte es nicht mehr.

Der BFH hat in seiner EuGH-Vorlage vom 21.6.2017 (Az.: V R 51/16; EuGH Az: C-548/17) zur Sollversteuerung sinngemäß u.a. die Frage aufgeworfen, ob europarechtliche Grundsätze dem entgegenstehen, dass ein der Sollversteuerung unterliegender Unternehmer einen Umsatz bereits im Leistungszeitraum versteuern muss, obwohl das Entgelt noch gar nicht fällig oder zumindest nicht unbedingt geschuldet wird. Im Streitfall ist die Leistung des Klägers im Jahr 2005 erfolgt. Die dafür geschuldeten Entgelte sind erst in den Jahren 2006 bis 2013 zugeflossen. Die EuGH-Entscheidung könnte daher, falls der EuGH die Steuerentstehung nicht nur vom Leistungszeitpunkt, sondern auch vom Zeitpunkt der Entgeltzahlung abhängig macht, Bedeutung für den Ausgang dieses Rechtsstreits haben.

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