Nachträgliche Anschaffungskosten bei Verzicht auf Kleinanlegerprivileg
BFH 6.5.2014, IX R 44/13Der Kläger war im Streitjahr 2007 mit 10 % (= 2.500 €) am Stammkapital einer GmbH beteiligt. Die Finanzierung der 2001 gegründeten GmbH erfolgte u.a. über Gesellschafterdarlehen. Nach einem Beschluss der Gesellschafter aus dem Jahr 2002 sollten die Gesellschafterdarlehen "wie Eigenkapital behandelt werden". Zudem waren die Gesellschafterdarlehen "vom jeweiligen Gesellschafter nicht kündbar". Die Darlehensrückführung war weiter nur unter der Voraussetzung möglich, dass u.a. "die Tilgung der Bankdarlehen nicht gefährdet ist". Der Kläger gewährte der GmbH von 2002 bis 2005 mehrere Darlehen über insgesamt 90.000 €. Im Jahr 2006 verzichtete er gegen Besserungsschein auf die Darlehen.
Im August 2007 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Oktober 2007 wurde der Betrieb der GmbH veräußert. Gewinnausschüttungen an den Kläger erfolgten nicht. Das Finanzamt berücksichtigte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2007 einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens lediglich i.H.d. hälftigen Stammeinlage (= 1.250 €). Weitere nachträgliche Anschaffungskosten wurden unter Hinweis auf das Kleinanlegerprivileg in § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a.F. abgelehnt, da der Kläger nur zu 10 % am Stammkapital der GmbH beteiligt und nicht zur Geschäftsführung befugt war. Später korrigierte die Finanzbehörde den Auflösungsverlust auf 2.500 €.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Das FG hatte zutreffend den Ausfall der Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts des Klägers gem. § 17 Abs. 1, 2 u. Abs. 4 S. 1 EStG berücksichtigt. Dass der Kläger nur mit 10 % an der Gesellschaft beteiligt war, nicht Geschäftsführer war und damit unter das Kleinanlegerprivileg des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a.F. fiel, stand dem nicht entgegen. Schließlich hatte der Kläger von vornherein mit der Gesellschaft vereinbart, die Darlehen wie "Eigenkapital" und damit im Insolvenzfall nur nachrangig zu behandeln und somit auf seine insolvenzrechtliche Privilegierung verzichtet.
Ist ein nicht geschäftsführender GmbH-Gesellschafter zu 10 % oder weniger am Stammkapital der GmbH beteiligt, gelten die Regeln über den Eigenkapitalersatz nach § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a.F. grundsätzlich nicht. Gewährt er ein Darlehen und fällt mit seinem Rückzahlungsanspruch insolvenzbedingt aus, führt dies zudem grundsätzlich nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung. Allerdings können auch bei einer nicht unternehmerischen Beteiligung besondere Umstände für die Veranlassung einer Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis sprechen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der mit 10 % oder weniger beteiligte Gesellschafter von vornherein erklärt, sein Darlehen wie Eigenkapital zu behandeln und dieses im Insolvenzfall nur nachrangig zu behandeln. Der Gesellschafter entscheidet sich in diesem Fall bewusst gegen eine Fremdkapital- und für eine (funktionale) Eigenkapitalfinanzierung. Insoweit wird auch im zivilrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten, ein mit 10 % oder weniger beteiligter Gesellschafter unterfalle nicht dem Kleinanlegerprivileg, wenn er freiwillig auf seine Privilegierung verzichtet.
Dass die Regelung des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a.F. die Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts zivilrechtlich ausschließt und insoweit den Gesellschafter mit einer Beteiligung von 10 % oder weniger im Insolvenzverfahren gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, steht einer steuerlichen Berücksichtigung des Darlehensausfalls als nachträgliche Anschaffungskosten Fall nicht entgegen. Unabhängig davon, ob die Vorschrift im Hinblick auf ihren Charakter als Gläubigerschutzvorschrift abdingbar ist, kann die zivilrechtliche Privilegierung nach § 41 Abs. 1 S. 1 AO steuerlich unbeachtlich sein, wenn die am Insolvenzverfahren Beteiligten aufgrund der Vereinbarungen den Gesellschafter wirtschaftlich wie einen mit mehr als 10 % beteiligten Gläubiger und die Forderungen des Gesellschafters im Insolvenzverfahren wie ein eigenkapitalersetzendes Darlehen behandeln. Daran gemessen waren dem Kläger infolge des insolvenzbedingten Ausfalls der Darlehen nachträgliche Anschaffungskosten entstanden.
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