Nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
BFH 21.10.2014, VIII R 48/12Die Kläger sind Eheleute. Sie waren in den Streitjahren 2009 und 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Seit dem Jahr 2002 war der Kläger am Stammkapital einer GmbH mit einer Stammeinlage von 37,5 % beteiligt. Nachdem im Februar 2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden war, wurde einen Tag später im Handelsregister die Auflösung eingetragen. Die GmbH ist im Handelsregister allerdings nicht gelöscht.
Im Rahmen der Insolvenz wurde der Kläger aus einer für die GmbH geleisteten Bürgschaft in Anspruch genommen, deren Kosten das Finanzamt im Rahmen des im Veranlagungszeitraum 2007 ermittelten Verlustes gem. § 17 EStG erklärungsgemäß berücksichtigte. Die Zahlung auf die Bürgschaft finanzierte der Kläger durch ein Darlehen, für das er in den Jahren 2009 und 2010 Zinsen i.H.v. 9.375 € und 9.372 € entrichtete.
Unter Hinweis auf § 32d Abs. 2 Nr. 3a EStG machte der Kläger später die Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten wegen seiner Beteiligung an der GmbH i.H.v. 60 % (Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 S. 1 EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 S. 1 EStG) geltend. Das Finanzamt versagte jedoch den Schuldzinsenabzug mit der Begründung, seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe eine wesentliche Beteiligung des Klägers i.S.d. § 17 EStG an der GmbH nicht mehr bestanden. Damit hätten die Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht vorgelegen.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision der Finanzbehörde hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Die Ansicht des FG, § 20 Abs. 9 EStG, der den Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ausschließe, komme nicht zur Anwendung, da der Kläger wirksam gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3a EStG zur Regelbesteuerung optiert habe, hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Zwar hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zum Abzug von Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Kapitalanlage - darunter fallen auch Beteiligungen i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG - mit Urteilen vom 16.3.2010 (Az.: VIII R 20/08 u. VIII R 36/07) geändert. Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, können danach wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht werden. Das gilt entsprechend für Finanzierungskosten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme eines Gesellschafters aus einer eigenkapitalersetzenden Gesellschafterbürgschaft.
Diese Situation war auch im vorliegenden Fall gegeben. Der Kläger war seit 2002 mit 37,5 % an der GmbH beteiligt. Damit hatte er die für § 17 EStG erforderliche Wesentlichkeitsgrenze erfüllt. Die nach Auflösung der GmbH im Februar 2007 in späteren Jahren anfallenden Schuldzinsen standen nach wie vor in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Beteiligung. Trotz dieser Änderung der Rechtsprechung konnte der Kläger die ihm in den Streitjahren 2009 und 2010 tatsächlich erwachsenen Schuldzinsen jedoch nicht mehr als Werbungskosten im Rahmen des § 20 EStG geltend machen. Denn mit der Einführung einer Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 können Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 grundsätzlich nicht mehr abgezogen werden. 52a Abs. 10 S. 10 EStG 2009 steht dem nicht entgegen. An der Verfassungsmäßigkeit der Regelung bestehen keine Zweifel.
Entgegen der Auffassung des FG stand die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG der Anwendung des § 20 Abs. 9 EStG nicht entgegen. Schließlich waren die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht erfüllt. Eine Option zur Regelbesteuerung gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist nicht eröffnet, wenn - wie hier - keine Kapitalerträge aus der Beteiligung mehr fließen und ein Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 2 u. 4 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen nicht erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation festgestellt wird, sondern bereits zu einem zeitlich davor liegenden Zeitpunkt.
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