Nachweisanforderungen im Vorsteuervergütungsverfahren
FG Köln v. 16.6.2020 - 2 K 31/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen. Sie hatte für den Streitzeitraum Januar bis Dezember 2014 eine Vorsteuervergütung i.H.v. 44.552 € beantragt. Das Finanzamt vergütete allerdings nur 34.065 € und lehnte den Antrag im Übrigen hinsichtlich diverser Rechnungen mit verschiedenen Begründungen ab.
Die Klägerin wandte ein, dass die Vorsteuervergütung abgelehnt worden sei, da die Rechnungen nicht im Original vorgelegt worden seien. Das FG Köln habe allerdings am 11.5.2016 in mehreren Verfahren entschieden, dass die Vorlage von Originalrechnungen nicht mehr zwingend eine materiellrechtliche Voraussetzung für die Vorsteuervergütung sei. Es reiche aus, wenn eine Kopie - wie im Streitfall - vorgelegt werde.
Das Finanzamt wies darauf hin, dass die Rechnungen der Positionen 39, 56, 57 und 105 innerhalb der Antragsfrist im Original hätten vorgelegt werden müssen. Die nur als Kopie vorliegende Seite 2 der Rechnung gemäß Position 93 sei darüber hinaus nicht vergütungsfähig, da in der Rechnung die gem. § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG erforderliche Angabe der Menge und der handelsüblichen Bezeichnung des Gegenstandes der Lieferung bzw. sonstigen Leistung unvollständig sei. Aus der Rechnung sei zu ersehen, dass eine weitere Rechnungsseite gefertigt worden seien, diese seien jedoch nicht vorgelegt worden.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Beim BFH ist in der Sache ein Verfahren unter dem Az.: V B 37/20 anhängig.
Die Gründe:
Im Hinblick auf die nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung noch streitigen Vorsteuerbeträge hat die Klägerin keinen Vergütungsanspruch.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 16.6.2020, 2 K 2298/17, zur Veröffentlichung vorgesehen) und - für die frühere Fassung des § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV - des BFH (Urteil vom 30.8.2017, XI R 24/16) ist es ausreichend, wenn im elektronischen Antragsverfahren durch Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten der EU eine Rechnungskopie elektronisch übersandt wird. Hieraus ist allerdings nicht zu folgern, dass für Unternehmen aus Drittstaaten es ebenfalls ausreichend wäre, dass entgegen dem Wortlaut der UStDV nur Rechnungskopien vorgelegt werden.
Der erkennende Senat hat im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit der eigenhändigen Unterschrift des Geschäftsführers auf Vorsteuervergütungsanträgen für Unternehmen aus Drittstaaten entschieden, dass es unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, eine entsprechende Verpflichtung für Unternehmen aus Drittstaaten anzunehmen, während eine solche Verpflichtung für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten nicht besteht (FG Köln, Urteil vom 25.8.2015, 2 K 997/14 und 2 K 2193/14). Das Unterschriftenerfordernis ist verhältnismäßig, da es zur Erreichung eines legitimen Zieles, nämlich der Vermeidung von Steuerhinterziehungen, dient. Ausnahmen sind für besondere Situationen vorgesehen. Ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz liegt nicht vor, da durch das Unterschriftenerfordernis die Geltendmachung von Rechten nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Weiterhin liegt kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 AEUV vor, da es keine Anwendung im Falle einer Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen von Mitgliedstaaten und Drittstaatsangehörigen findet.
Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor, da sich juristische Personen aus Drittstaaten auf den Gleichheitsgrundsatz nicht berufen können. In der Sache ist die unterschiedliche Behandlung darüber hinaus jedenfalls rechtmäßig, da Unternehmen aus Drittstaaten nicht mit Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten vergleichbar sind, weil Kontrollmöglichkeiten in anderen Mitgliedstaaten in weiterem Umfang bestehen, als in Drittstaaten.
Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Die Notwendigkeit der Vorlage von Originalrechnungen dient dem Ziel, Mehrfachvergütungen zu vermeiden. Ein Unternehmer aus einem Drittstaat erhält die zu erstattende Vorsteuer bereits dann, wenn er einen Antrag stellt und eine Rechnung vorliegt. Dem Finanzamt stehen keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung außer der Prüfung des Antrages und der Rechnung.
Vor diesem Hintergrund liegt auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot - unabhängig von der Frage, ob sich die Klägerin überhaupt hierauf berufen kann (verneinend für den Fall einer Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen von Mitgliedstaaten und Drittstaaten: vgl. EuGH-Urteil vom 4.6.2009, C-22/08 und C-23/08, Vatsouras Koupatantze; BFH-Urteil vom 8.8.2013, V R 3/11) - vor, weil die Ungleichbehandlung jedenfalls sachlich gerechtfertigt ist, da Antragsteller aus Drittstaaten mit Antragstellern aus anderen Mitgliedstaaten der EU im Hinblick auf Kontrollmöglichkeiten nicht vergleichbar sind.
Das Erfordernis, Originalrechnungen vorzulegen verstößt auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuer. Der EuGH hat entschieden, dass das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Antragsteller bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt. Daraus folgt für den EuGH, dass die Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigern kann, weil eine Rechnung nicht die in Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, wenn sie über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die für dieses Recht geltenden materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.
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Die Klägerin ist ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen. Sie hatte für den Streitzeitraum Januar bis Dezember 2014 eine Vorsteuervergütung i.H.v. 44.552 € beantragt. Das Finanzamt vergütete allerdings nur 34.065 € und lehnte den Antrag im Übrigen hinsichtlich diverser Rechnungen mit verschiedenen Begründungen ab.
Die Klägerin wandte ein, dass die Vorsteuervergütung abgelehnt worden sei, da die Rechnungen nicht im Original vorgelegt worden seien. Das FG Köln habe allerdings am 11.5.2016 in mehreren Verfahren entschieden, dass die Vorlage von Originalrechnungen nicht mehr zwingend eine materiellrechtliche Voraussetzung für die Vorsteuervergütung sei. Es reiche aus, wenn eine Kopie - wie im Streitfall - vorgelegt werde.
Das Finanzamt wies darauf hin, dass die Rechnungen der Positionen 39, 56, 57 und 105 innerhalb der Antragsfrist im Original hätten vorgelegt werden müssen. Die nur als Kopie vorliegende Seite 2 der Rechnung gemäß Position 93 sei darüber hinaus nicht vergütungsfähig, da in der Rechnung die gem. § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG erforderliche Angabe der Menge und der handelsüblichen Bezeichnung des Gegenstandes der Lieferung bzw. sonstigen Leistung unvollständig sei. Aus der Rechnung sei zu ersehen, dass eine weitere Rechnungsseite gefertigt worden seien, diese seien jedoch nicht vorgelegt worden.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Beim BFH ist in der Sache ein Verfahren unter dem Az.: V B 37/20 anhängig.
Die Gründe:
Im Hinblick auf die nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung noch streitigen Vorsteuerbeträge hat die Klägerin keinen Vergütungsanspruch.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 16.6.2020, 2 K 2298/17, zur Veröffentlichung vorgesehen) und - für die frühere Fassung des § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV - des BFH (Urteil vom 30.8.2017, XI R 24/16) ist es ausreichend, wenn im elektronischen Antragsverfahren durch Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten der EU eine Rechnungskopie elektronisch übersandt wird. Hieraus ist allerdings nicht zu folgern, dass für Unternehmen aus Drittstaaten es ebenfalls ausreichend wäre, dass entgegen dem Wortlaut der UStDV nur Rechnungskopien vorgelegt werden.
Der erkennende Senat hat im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit der eigenhändigen Unterschrift des Geschäftsführers auf Vorsteuervergütungsanträgen für Unternehmen aus Drittstaaten entschieden, dass es unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, eine entsprechende Verpflichtung für Unternehmen aus Drittstaaten anzunehmen, während eine solche Verpflichtung für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten nicht besteht (FG Köln, Urteil vom 25.8.2015, 2 K 997/14 und 2 K 2193/14). Das Unterschriftenerfordernis ist verhältnismäßig, da es zur Erreichung eines legitimen Zieles, nämlich der Vermeidung von Steuerhinterziehungen, dient. Ausnahmen sind für besondere Situationen vorgesehen. Ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz liegt nicht vor, da durch das Unterschriftenerfordernis die Geltendmachung von Rechten nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Weiterhin liegt kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 AEUV vor, da es keine Anwendung im Falle einer Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen von Mitgliedstaaten und Drittstaatsangehörigen findet.
Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor, da sich juristische Personen aus Drittstaaten auf den Gleichheitsgrundsatz nicht berufen können. In der Sache ist die unterschiedliche Behandlung darüber hinaus jedenfalls rechtmäßig, da Unternehmen aus Drittstaaten nicht mit Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten vergleichbar sind, weil Kontrollmöglichkeiten in anderen Mitgliedstaaten in weiterem Umfang bestehen, als in Drittstaaten.
Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Die Notwendigkeit der Vorlage von Originalrechnungen dient dem Ziel, Mehrfachvergütungen zu vermeiden. Ein Unternehmer aus einem Drittstaat erhält die zu erstattende Vorsteuer bereits dann, wenn er einen Antrag stellt und eine Rechnung vorliegt. Dem Finanzamt stehen keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung außer der Prüfung des Antrages und der Rechnung.
Vor diesem Hintergrund liegt auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot - unabhängig von der Frage, ob sich die Klägerin überhaupt hierauf berufen kann (verneinend für den Fall einer Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen von Mitgliedstaaten und Drittstaaten: vgl. EuGH-Urteil vom 4.6.2009, C-22/08 und C-23/08, Vatsouras Koupatantze; BFH-Urteil vom 8.8.2013, V R 3/11) - vor, weil die Ungleichbehandlung jedenfalls sachlich gerechtfertigt ist, da Antragsteller aus Drittstaaten mit Antragstellern aus anderen Mitgliedstaaten der EU im Hinblick auf Kontrollmöglichkeiten nicht vergleichbar sind.
Das Erfordernis, Originalrechnungen vorzulegen verstößt auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuer. Der EuGH hat entschieden, dass das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Antragsteller bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt. Daraus folgt für den EuGH, dass die Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigern kann, weil eine Rechnung nicht die in Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, wenn sie über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die für dieses Recht geltenden materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.