Nichtanschaffung kein Tatbestandsmerkmal für Auflösung der Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 4 S. 2 EStG a.F.
BFH 22.3.2016, VIII R 58/13Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr (2006) zwecks Korrektur der unterlassenen Auflösung einer Ansparabschreibung nebst Gewinnzuschlag gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden kann. Der Kläger, der im Streitjahr zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt wurde, ist Arzt. Seine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit ermittelte er durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG).
In seiner Gewinnermittlung für das Jahr 2004 hatte der Kläger eine Betriebsausgabe i.H.v. 25.500 € mit dem Zusatz "Zuführung Rücklage nach § 7g (3) EStG" erfasst. Diese Ansparabschreibung löste er weder im Jahr 2005 noch im Streitjahr auf, was sowohl bei der erstmaligen Steuerfestsetzung für das Streitjahr als auch in dem Einkommensteueränderungsbescheid 2006 unbeachtet blieb. Erst im Rahmen der bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 2008 durchgeführten Verprobung der vom Kläger gebildeten und aufgelösten Ansparabschreibungen stellte das Finanzamt fest, dass die im Jahr 2004 gebildete Ansparabschreibung nicht aufgelöst worden war.
Das Finanzamt erließ daraufhin am unter Verweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO einen Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2006, in dem es die Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Klägers um 28.560 € (25.500 € Auflösung Ansparabschreibung zzgl. 3.060 € Gewinnzuschlag) erhöhte.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides ausgeschlossen ist. Es fehlt bereits an einer nachträglich bekannt gewordenen rechtserheblichen Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Die "Nichtanschaffung" jener Wirtschaftsgüter, für die der Kläger die Ansparabschreibung im Jahr 2004 gebildet hatte, ist in Bezug auf § 7g Abs. 4 S. 2 EStG keine rechtserhebliche Tatsache in diesem Sinne. Eine gem. § 7g Abs. 1, Abs. 3 S. 1 und 2 EStG gebildete Ansparabschreibung ist i.H.v. 40 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend aufzulösen, sobald für das begünstigte Wirtschaftsgut Abschreibungen vorgenommen werden dürfen (§ 7g Abs. 4 S. 1 EStG). Ist die Rücklage am Ende des zweiten auf die Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie zu diesem Zeitpunkt ebenfalls gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7g Abs. 4 S. 2 EStG) und der Gewinn für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 Prozent des aufgelösten Rücklagebetrages zu erhöhen (§ 7g Abs. 5 EStG).
Danach sieht der Tatbestand des § 7g Abs. 4 EStG die Auflösung einer Ansparabschreibung vor, sobald für das begünstigte Wirtschaftsgut Abschreibungen vorgenommen werden dürfen (Satz 1), was eine planmäßig erfolgte Investition voraussetzt. Daneben schreibt die Regelung (Satz 2) die zwangsweise Auflösung der Ansparabschreibung nach Ablauf der Investitionsfrist vor. Dabei knüpft das Gesetz ausdrücklich und ausschließlich an das Fortbestehen der Rücklage am Ende der Investitionsfrist an und stellt nicht auf die "Nichtanschaffung" des Wirtschaftsgutes oder andere tatsächliche Umstände ab. Dementsprechend ist die Ansparabschreibung, sofern sie am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist, unabhängig davon gewinnerhöhend aufzulösen, ob die begünstigten Anlagegüter später angeschafft oder hergestellt worden sind, die Investition geringer ausgefallen ist als geplant oder gar völlig ausbleibt.
Zwingt das Gesetz jedoch mit Fristablauf unabhängig von der "Nichtanschaffung" des Wirtschaftsgutes zur Auflösung der Ansparabschreibung, ist die "Nichtanschaffung" des Wirtschaftsgutes - entgegen der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung der Finanzgerichte - kein tatsächlicher Vorgang, der die Auflösung einer Ansparabschreibung nach sich zieht und damit den Ansatz einer Betriebseinnahme gebietet. Die "Nichtanschaffung" ist daher kein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes des § 7g Abs. 4 S. 2 EStG und somit keine rechtserhebliche Tatsache.
Die in § 7g Abs. 5 EStG vorgesehene Regelung zum sog. Gewinnzuschlag, die zwischen dem Fall der Auflösung der Ansparabschreibung nach planmäßiger Investition einerseits und der zwangsweisen Auflösung einer am Ende des Investitionszeitraumes noch vorhandenen Rücklage andererseits differenziert, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch sie knüpft weder ausdrücklich an die "Nichtanschaffung" von Wirtschaftsgütern an, noch stellt sie auf andere tatsächliche Umstände ab. Der Umstand, dass der Kläger die Rücklage nicht durch Berücksichtigung einer entsprechenden Betriebseinnahme in seiner Gewinnermittlung aufgelöst hat, ist ebenfalls keine nachträglich bekanntgewordene rechtserhebliche Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Ob der Steuerpflichtige die Betriebseinnahme in seiner Einnahmenüberschussrechnung erfasst oder nicht, ist für die Entstehung des Gewinns ohne Bedeutung.
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