27.04.2023

Nichtberücksichtigung "finaler" ausländischer Betriebsstättenverluste

Der auf einem DBA (hier: DBA-Großbritannien 1964/1970) beruhende Ausschluss der Berücksichtigung von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte (sog. Symmetriethese) verstößt auch im Hinblick auf endgültige ("finale") Verluste nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit 

Kurzbesprechung
BFH v. 22. 2. 2023 - I R 35/22 (I R 32/18)

DBA GBR 1964 Art 3 Abs 1, Art 18 Abs 2 Buchst a
EG Art 43, Art 48
AEUV Art 49, Art 54
GewStG § 7 S. 1, § 9 Nr. 3
KStG § 8 Abs 1


Im entschiedenen Streitfall hatte eine in Deutschland ansässige Bank im Jahr 2004 in Großbritannien eine Zweigniederlassung eröffnet. Nachdem die Zweigniederlassung jedoch durchgehend nur Verluste erwirtschaftet hatte, wurde sie im Jahr 2007 wieder geschlossen. Da die Filiale niemals Gewinne erzielt hatte, konnte die Bank die in Großbritannien erlittenen Verluste dort steuerlich nicht nutzen.

Derartige Verluste sind nach Auffassung des BFH auch in Deutschland nicht nutzbar. Denn nach dem einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unterliegen Betriebsstätteneinkünfte aus Großbritannien nicht der deutschen Besteuerung. Entscheidend ist dabei die sog. Symmetriethese, nach der die abkommensrechtliche Steuerfreistellung ausländischer Einkünfte sowohl positive als auch negative Einkünfte, also Verluste, umfasst. Vergleichbare Regelungen enthalten eine Vielzahl der von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen.

Wie der BFH nach Anrufung des EuGH weiter entschied, verstößt dieser Ausschluss des Verlustabzugs auch im Hinblick auf sog. finale Verluste nicht gegen das Unionsrecht (EuGH-Urteil W vom 22.09.2022 - C-538/20, EU:C:2022:717).

Beraterhinweis: Ursprünglich gingen allerdings sowohl der EuGH als auch der BFH davon aus, dass aus Gründen der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit ein Verlustabzug möglich ist, wenn und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im ausländischen Betriebsstättenstaat "final" sind. Diese Rechtsauffassung hat der EuGH jedoch mit der vorgenannten Entscheidung wieder aufgegeben.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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