20.11.2015

Nichtigkeit eines Einheitswertbescheides bei mangelhafter Bezeichnung einer Erbengemeinschaft als Inhaltsadressat

Richtet sich ein Feststellungsbescheid gegen mehrere Personen, weil diesen der Gegenstand bei der Besteuerung zuzurechnen ist, so wird die gesonderte Feststellung ihnen gegenüber einheitlich vorgenommen. Wird ein Feststellungsbescheid nicht an alle Beteiligte gerichtet (adressiert), für die er inhaltlich bestimmt ist, ist er nichtig und damit unwirksam.

FG Köln 1.10.2015, 4 K 2926/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bis zur Erbauseinandersetzung im Dezember 2007 Teil einer Erbengemeinschaft nach ihrem im Jahr 1996 verstorbenen Bruder. Ebenfalls beteiligt an der Erbengemeinschaft war der andere Bruder der Klägerin (A.). Zum Miteigentum der Erbengemeinschaft zählte ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb. Im Februar 1998 hatte das Finanzamt einen Einheitswertbescheid erlassen, in dem eine Zurechnungsfortschreibung auf den 1.1.1998 für das streitgegenständliche Grundstück von dem Erblasser auf die Klägerin und ihren Bruder erfolgte. Der Bescheid ging unmittelbar an die Adresse der Klägerin. Er enthielt den Zusatz, dass er an die Klägerin mit Wirkung für und gegen alle Miteigentümer erging.

Im Oktober 2005 erließ das Finanzamt den angefochtenen Aufhebungsbescheid, mit dem er den für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auf den 1.1.1974 festgestellten Einheitswert zum 1.1.2006 aufhob. Hintergrund für diese Aufhebung war, dass Grundstücksflächen des geerbten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit notariellem Vertrag vom 16.6.2005 veräußert worden waren. Der Klägerin und ihrem Bruder war die persönliche Bewirtschaftung der gesamten Flächen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich. Der Beklagte übersandte diesen Bescheid wiederum mit gleicher Einheitswertnummer direkt an die Adresse der Klägerin.

Hiergegen wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin. Er war der Ansicht, der Bescheid sei von dem Prozessbevollmächtigten erst bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 in den Unterlagen der Klägerin gefunden und damit bekannt geworden. Der Bescheid sei zudem unter Missachtung einer vorliegenden Vertretungsmacht direkt an die Klägerin übersandt worden. Die Klägerin und ihr Bruder hätten ihn in ihrer Eigenschaft als Erben bereits im April 1997 ermächtigt, sie in steuerlichen Angelegenheiten zu vertreten.

Das FG Gab der Klage gegen den Aufhebungsbescheid statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Der Aufhebungsbescheid war nicht ausreichend bestimmt, da er allein die Klägerin als (Inhalts-) Adressatin benannt hatte.

Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO). Dabei ist die Angabe des Inhaltsadressaten konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes, denn es muss angegeben werden, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll. Inhaltsadressat ist diejenige natürliche oder juristische Person bzw. nicht rechtsfähige Personenvereinigung, der gegenüber die Regelung von Rechten und Pflichten durch den Ausspruch (Tenor) erfolgt.

Es reicht dabei aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann. Er ist zu unterscheiden von demjenigen, an den der Verwaltungsakt bekannt zu geben ist (Bekanntgabeadressat). Grundsätzlich stimmen beide überein, ausnahmsweise jedoch nicht in den Fällen der Vertretung oder berechtigten Empfangsvollmacht. Richtet sich ein Feststellungsbescheid gegen mehrere Personen, weil diesen der Gegenstand bei der Besteuerung zuzurechnen ist, so wird die gesonderte Feststellung ihnen gegenüber einheitlich vorgenommen. Wird ein Feststellungsbescheid nicht an alle Beteiligte gerichtet (adressiert), für die er inhaltlich bestimmt ist, ist er nichtig und damit unwirksam.

Da das streitgegenständliche Grundstück am Stichtag mehreren Personen zuzurechnen war, bedurfte es hier einer einheitlichen Feststellung. Inhaltsadressat war somit im vorliegenden Fall die aus der Klägerin und ihrem Bruder zunächst bestehende Erbengemeinschaft. Auch eine Auslegung des Bescheides führte hier zu keinem anderen Ergebnis. Der nichtige Bescheid äußerte somit keine Rechtswirkungen. Da die Frage der Anforderungen an die Bezeichnung des Inhaltsadressaten eines Einheitswertbescheides gegenüber einer Erbengemeinschaft von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision zugelassen.

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