Per E-Mail gestellter Kindergeldantrag formwirksam
Kurzbesprechung
BFH v. 12.10.2023 - III R 38/21
AO § 87a Abs 3 S 1, § 87a Abs 3 S 2, § 218 Abs 1 S 2
EStG § 66 Abs 3, § 67 S 1, § 70 Abs 1 S 2
DA-KG 2023 Abschn. V5.2 Abs 1 S 1Abschn. V5.2 Abs 1 S 2
Streitig war u.a. ob ein per E-Mail gestellter Kindergeldantrag formwirksam erfolgte.
Für die Frage, ob ein wirksamer Kindergeldantrag vorliegt und wann er eingegangen ist, ist bei Antragseingang bis einschließlich 09.12.2020 § 67 Satz 1 EStG i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren bei der Gewährung von Familienleistungen vom 3.12.2020 (BGBl I 2020, 2668) maßgeblich. Hiernach war der Antrag auf Kindergeld "schriftlich" zu stellen. Der zweite Halbsatz ("eine elektronische Antragstellung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle ist zulässig, soweit der Zugang eröffnet wurde") wurde erst mit Wirkung ab dem 10.12.2020 eingefügt und ist für vorher gestellte Anträge ohne Belang. Jedenfalls bis einschließlich 09.12.2020 ‑ und damit auch im Streitfall ‑ konnte ein Kindergeldantrag auch mit einer einfachen E-Mail ohne Beifügung des amtlichen Vordrucks im PDF gestellt werden, selbst wenn sie nur einfach und nicht qualifiziert elektronisch signiert war, also keine Unterschrift und kein elektronisch erstelltes Unterschriftssurrogat enthielt.
Gemäß § 87a Abs. 3 Satz 1 AO konnte die durch Gesetz für Anträge an die Finanzbehörden ‑ zu denen auch die Familienkassen gehören (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 AO) ‑ angeordnete Schriftform durch eine elektronische Form ersetzt werden. Gemäß § 87a Abs. 3 Satz 2 AO genügte der elektronischen Form ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Da eine qualifizierte Signatur eine Unterschrift ersetzt, war sie jedoch nur in den Fällen erforderlich, in denen ein Unterschriftserfordernis besteht. Ansonsten genügte in den Fällen des § 87a Abs. 1 Satz 1 AO, in denen der Empfänger einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente geschaffen hat, eine E-Mail mit einem die Person des Antragstellers erkennbar machenden Zusatz, wie etwa einer Namensangabe als Abschluss der E-Mail.
Der BFH entschied, dass entgegen der von der Familienkasse vertretenen Auffassung (vgl. V 5.2 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Dienstanweisung des Bundeszentralamts für Steuern zum Kindergeld nach dem EStG 2023) § 67 Satz 1 EStG kein Unterschriftserfordernis enthält. Denn im Steuerrecht kann aus dem Begriff "schriftlich", wie er in § 67 Satz 1 EStG verwendet wird, nicht ohne Weiteres ein Unterschriftserfordernis im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB abgeleitet werden.
§ 67 Satz 1 EStG, § 66 Abs. 3 EStG a.F. und § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. enthalten keine Regelung, wonach der Antrag unterschrieben worden sein muss, um die Sechs-Monats-Frist in Gang zu setzen. Die Vorschriften enthalten umgekehrt aber auch keine eindeutige Regelung, dass ein Kindergeldantrag nicht unterschrieben werden muss, um die Bearbeitung des Kindergeldantrags anzustoßen und die Sechs-Monats-Frist in Gang zu setzen. Im Fall des § 67 Satz 1 EStG sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift dafür, keine Unterschrift des Kindergeldberechtigten oder seines Vertreters zu verlangen. § 126 Abs. 1 BGB ist nicht anzuwenden.
Zum Schutz oder zur besonderen Warnung des Antragstellers vor den Folgen seines Antrags ist beim Antrag auf Kindergeld ebenfalls keine Unterschrift erforderlich; der Kindergeldantrag hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 3 AO und bewirkt, dass das Kindergeld ‑ gegebenenfalls nach weiteren Verfahrensschritten ‑ festgesetzt werden kann.
Da eine qualifizierte Signatur eine Unterschrift ersetzt und für einen Kindergeldantrag kein Unterschriftserfordernis besteht, genügte im Streitfall eine E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur, um einen formwirksamen Kindergeldantrag zu stellen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 87a Abs 3 S 1, § 87a Abs 3 S 2, § 218 Abs 1 S 2
EStG § 66 Abs 3, § 67 S 1, § 70 Abs 1 S 2
DA-KG 2023 Abschn. V5.2 Abs 1 S 1Abschn. V5.2 Abs 1 S 2
Streitig war u.a. ob ein per E-Mail gestellter Kindergeldantrag formwirksam erfolgte.
Für die Frage, ob ein wirksamer Kindergeldantrag vorliegt und wann er eingegangen ist, ist bei Antragseingang bis einschließlich 09.12.2020 § 67 Satz 1 EStG i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren bei der Gewährung von Familienleistungen vom 3.12.2020 (BGBl I 2020, 2668) maßgeblich. Hiernach war der Antrag auf Kindergeld "schriftlich" zu stellen. Der zweite Halbsatz ("eine elektronische Antragstellung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle ist zulässig, soweit der Zugang eröffnet wurde") wurde erst mit Wirkung ab dem 10.12.2020 eingefügt und ist für vorher gestellte Anträge ohne Belang. Jedenfalls bis einschließlich 09.12.2020 ‑ und damit auch im Streitfall ‑ konnte ein Kindergeldantrag auch mit einer einfachen E-Mail ohne Beifügung des amtlichen Vordrucks im PDF gestellt werden, selbst wenn sie nur einfach und nicht qualifiziert elektronisch signiert war, also keine Unterschrift und kein elektronisch erstelltes Unterschriftssurrogat enthielt.
Gemäß § 87a Abs. 3 Satz 1 AO konnte die durch Gesetz für Anträge an die Finanzbehörden ‑ zu denen auch die Familienkassen gehören (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 AO) ‑ angeordnete Schriftform durch eine elektronische Form ersetzt werden. Gemäß § 87a Abs. 3 Satz 2 AO genügte der elektronischen Form ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Da eine qualifizierte Signatur eine Unterschrift ersetzt, war sie jedoch nur in den Fällen erforderlich, in denen ein Unterschriftserfordernis besteht. Ansonsten genügte in den Fällen des § 87a Abs. 1 Satz 1 AO, in denen der Empfänger einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente geschaffen hat, eine E-Mail mit einem die Person des Antragstellers erkennbar machenden Zusatz, wie etwa einer Namensangabe als Abschluss der E-Mail.
Der BFH entschied, dass entgegen der von der Familienkasse vertretenen Auffassung (vgl. V 5.2 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Dienstanweisung des Bundeszentralamts für Steuern zum Kindergeld nach dem EStG 2023) § 67 Satz 1 EStG kein Unterschriftserfordernis enthält. Denn im Steuerrecht kann aus dem Begriff "schriftlich", wie er in § 67 Satz 1 EStG verwendet wird, nicht ohne Weiteres ein Unterschriftserfordernis im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB abgeleitet werden.
§ 67 Satz 1 EStG, § 66 Abs. 3 EStG a.F. und § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. enthalten keine Regelung, wonach der Antrag unterschrieben worden sein muss, um die Sechs-Monats-Frist in Gang zu setzen. Die Vorschriften enthalten umgekehrt aber auch keine eindeutige Regelung, dass ein Kindergeldantrag nicht unterschrieben werden muss, um die Bearbeitung des Kindergeldantrags anzustoßen und die Sechs-Monats-Frist in Gang zu setzen. Im Fall des § 67 Satz 1 EStG sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift dafür, keine Unterschrift des Kindergeldberechtigten oder seines Vertreters zu verlangen. § 126 Abs. 1 BGB ist nicht anzuwenden.
Zum Schutz oder zur besonderen Warnung des Antragstellers vor den Folgen seines Antrags ist beim Antrag auf Kindergeld ebenfalls keine Unterschrift erforderlich; der Kindergeldantrag hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 3 AO und bewirkt, dass das Kindergeld ‑ gegebenenfalls nach weiteren Verfahrensschritten ‑ festgesetzt werden kann.
Da eine qualifizierte Signatur eine Unterschrift ersetzt und für einen Kindergeldantrag kein Unterschriftserfordernis besteht, genügte im Streitfall eine E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur, um einen formwirksamen Kindergeldantrag zu stellen.