28.03.2018

Pfändungsschutz im Insolvenzverfahren bei Bestreiten des Lebensunterhalts aus erwirtschafteten Mieteinkünften

Ein Schuldner, der seinen Lebensunterhalt aus erwirtschafteten Mieteinkünften bestreitet, kann im Insolvenzverfahren Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte beantragen, auch wenn die Mieteinkünfte im Zuge einer vereinbarten stillen Zwangsverwaltung an einen Gläubiger abgeführt werden, dem der Schuldner die Mietforderungen als Sicherheit abgetreten und dem er Grundschulden an den Mietobjekten bestellt hat.

BGH 1.3.2018, IX ZB 95/15
Der Sachverhalt:
Der Schuldner ist Eigentümer zweier mit Mehrfamilienhäusern bebauter Grundstücke, die mit Darlehen einer Sparkasse finanziert wurden. Zur Sicherung der Ansprüche auf Rückzahlung der Darlehen trat der Schuldner seine gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die Mieter und Pächter der beiden Häuser an die Sparkasse ab. Ferner sind zugunsten der Sparkasse im Grundbuch an beiden Grundstücken Grundschulden im Nennbetrag von jeweils rd. 500.000 € nebst Zinsen eingetragen.

Am 29.10.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Die Sparkasse meldete eine Forderung i.H.v. mehr als 2 Mio. € zur Tabelle an. Die zur Insolvenzverwalterin bestellte weitere Beteiligte zieht im Wege der sog. stillen oder kalten Zwangsverwaltung die Miete/Pacht (nachfolgend nur noch zusammenfassend: Miete) i.H.v. mtl. knapp 6.000 € ein und führt sie nach Abzug eines Betrags für die Feststellung und Verwertung an die Sparkasse ab.

Der Schuldner beantragte mit Schreiben vom 6.2.2015, ab Februar 2015 mtl. Mieteinkünfte i.H.v. rd. 520 € pfandfrei zu stellen; nur dann verbleibe ihm unter Berücksichtigung seiner sonstigen Einkünfte und bei Abzug des Krankenversicherungsbeitrags der nach § 850c ZPO pfandfrei zu belassende Betrag von 1.049,99 €.

Das AG gab dem Antrag statt; das LG wies ihn zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der vom LG gegebenen Begründung kann die vom Schuldner beantragte Freistellung von Mieteinnahmen nicht verweigert werden.

Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Nach Satz 2 dieser Norm gilt u.a. die Regelung in § 850i ZPO entsprechend. Danach hat das Gericht bei der Pfändung sonstiger Einkünfte des Schuldners, die kein Arbeitseinkommen sind, dem Schuldner auf dessen Antrag so viel zu belassen, als ihm verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Die Regelung überträgt den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen (§§ 850, 850a ff ZPO) auf sonstige vom Schuldner erwirtschaftete Einkünfte. Zu diesen gehören auch Einkünfte aus Miete und Pacht. Der Anwendung des § 850i ZPO steht hier nicht entgegen, dass die Mietforderungen an die Sparkasse abgetreten waren und zudem in den Haftungsverband der Grundschulden fielen. Eine gesicherte Rechtsposition der Sparkasse an den vollen, nicht um einen Pfändungsfreibetrag gekürzten Mietforderungen des Schuldners ergibt sich daraus nicht.

Die Vorausabtretung der Mietforderungen des Schuldners war wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 29.10.2014 gem. § 110 Abs. 1 InsO nur wirksam, soweit sie sich auf den Zeitraum bis zum 30.11.2014 bezog. Zwar dient diese Norm dem Schutz der Masse und nicht dem Schutz des Schuldners. Gleichwohl spricht sie gegen die Auffassung des LG, dem Schuldner sei die Freistellung eines Teils seiner Mieteinkünfte nach § 850i ZPO wegen der Abtretung dieser Forderungen zu versagen. Auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens gewährte die Sicherungsabtretung der Sparkasse keinen sicheren Zugriff auf die Mietforderungen. Die Abtretung einer Forderung ist nach §§ 134, 400 BGB nichtig, soweit die abgetretene Forderung nicht der Pfändung unterworfen ist. Arbeitseinkommen und gleichgestellte Einkünfte können deshalb nur insoweit wirksam abgetreten werden, als sie nach den §§ 850a ff ZPO pfändbar sind.

Ergibt sich die Unpfändbarkeit nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern ist sie wie im Falle des § 850i ZPO von einem Antrag des Schuldners und einer gerichtlichen Entscheidung abhängig, kann über die Pfändbarkeit auch vom Prozessgericht entschieden werden. Der Pfändungsschutz nach § 850i ZPO kann als zwingende Vorschrift des Schuldnerschutzes im Zuge einer Forderungsabtretung auch nicht ausgeschlossen werden. Eine Einschränkung des in § 400 BGB normierten Abtretungsverbots kommt nur in Betracht, wenn der Zessionar dem Zedenten eine Leistung gewährt, die den Pfändungsschutz entbehrlich macht. Dies war hier nicht der Fall. Der Schuldner war danach nicht gehindert, sich gegenüber der Sparkasse darauf zu berufen, dass die abgetretenen Forderungen teilweise nach § 850i ZPO pfändungsfrei zu stellen waren.

Eine uneingeschränkte Zuweisung der Mietforderungen an die Sparkasse folgt auch nicht daraus, dass diese Forderungen nach § 1192 Abs. 1, § 1123 Abs. 1 BGB in den Haftungsverband der Grundschulden fielen. Die Haftung der Mietforderungen realisiert sich mit der Beschlagnahme. Solange eine solche nicht erfolgt ist, kann der Schuldner über die Forderungen frei verfügen (§ 1124 Abs. 1 BGB). Außerhalb des Insolvenzverfahrens konnte die Sparkasse die Beschlagnahme nicht nur im Wege der Zwangsverwaltung, sondern auch durch eine Pfändung der Mietforderungen aufgrund des dinglichen Anspruchs bewirken. Einer solchen Pfändung konnte der Schuldner mit einem Antrag nach § 850i ZPO begegnen. Lediglich im Falle einer Anordnung der Zwangsverwaltung nach § 866 ZPO, §§ 146 ff ZVG gelten nicht die auf die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte beschränkten Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO, sondern die besonderen Bestimmungen in § 149 ZVG. Diese sehen die Freistellung von Einkünften aus Miet- und Pachtverhältnissen bis zur Pfändungsgrenze des § 850c ZPO nicht vor; die Sonderregelung des § 149 Abs. 3 ZVG für die Zwangsverwaltung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücks ist hier nicht einschlägig.

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