26.10.2020

Pflegegelder für vollzeitige Betreuung von verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen sind steuerfrei

Pflegegeld, das aus öffentlichen Mitteln der Jugendhilfe für eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung verhaltensauffälliger Kinder bzw. Jugendlicher erbracht wird, kann beim Betreuer gem. § 3 Nr. 11 EStG zu steuerfreien Bezügen führen, wenn jeweils nur ein Kind bzw. ein Jugendlicher zeitlich unbefristet in den Haushalt des Betreuers aufgenommen und dort umfassend betreut wird. Diese Leistungen sind mit den Fällen einer Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII vergleichbar.

BFH v. 14.7.2020 - VIII R 27/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ausgebildeter Erzieher. Er hatte in den Streitjahren 2012 und 2013 verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche in seinen Haushalt aufgenommen und dort intensiv sozialpädagogisch betreut. Die jüngste von ihm betreute Person war damals elf Jahre alt. Der Kläger nahm stets nur ein Kind bzw. einen Jugendlichen bei sich auf.

Für diese "Vollzeitbetreuung" erhielt der Kläger auf der Grundlage jederzeit kündbarer vertraglicher Vereinbarungen aus öffentlichen Mitteln monatlich zwischen 3.000 € und 3.600 €. Das Finanzamt war der Ansicht, der Kläger habe erwerbsmäßig Pflegeleistungen erbracht. Das Pflegegeld sei nicht wie bei einer Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII gem. § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Gründe:
Das FG hat die Steuerfreiheit der Einnahmen, die der Kläger in den Streitjahren für die Betreuung verhaltensauffälliger Jugendlicher und Kinder in seinem Haushalt bezogen hatte, zu Unrecht verneint. Es hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe erwerbsmäßig nicht mit einer Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII vergleichbare Leistungen gem. § 35 SGB VIII erbracht, für die die Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 11 EStG nicht gelte.

Pflegegeld aus öffentlichen Mitteln, das im Rahmen einer Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII gezahlt wird, ist grundsätzlich als steuerfreie Beihilfe i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG zu behandeln, da mit der Zahlung des Pflegegeldes weder der sachliche und zeitliche Aufwand der Pflegeeltern vollständig ersetzt noch die Pflegeleistung vergütet wird. Das vom Kläger vereinnahmte Pflegegeld im vorliegenden Fall ist durchaus damit vergleichbar.

Maßgeblich für die steuerliche Einordnung sind nämlich Inhalt und Durchführung des Pflegeverhältnisses. Dieses ist vorliegend - wie bei einer Vollzeitpflege i.S.d. § 33 SGB VIII - dadurch geprägt, dass der Kläger die verhaltensauffälligen Jugendlichen und Kinder in seinen Haushalt aufgenommen und mit diesen in einer häuslichen Gemeinschaft gelebt hat. Dass er die Kinder und Jugendlichen entsprechend deren besonderen Bedürfnissen intensiv sozialpädagogisch betreut und hierfür ein über den Regelsätzen für die Vollzeitpflege von Kindern und Jugendlichen liegendes Pflegegeld bezogen hat, steht der Steuerfreiheit der Bezüge nicht entgegen.
BFH PM Nr. 47 vom 22.10.2020
Zurück