Pflicht zur Nachfrage des Anwalts bei ausbleibender Reaktion des Gerichts auf ein Fristverlängerungsgesuch
BGH 2.12.2015, XII ZB 211/12Die Antragsgegnerin wendet sich in einer Familienstreitsache gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist und die Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In dem Verfahren wird die Antragsgegnerin vom Antragsteller, ihrem früheren Ehemann, auf Gesamtschuldnerausgleich nach rechtskräftig geschiedener Ehe in Anspruch genommen. Die Antragsgegnerin begehrt mit ihrem Widerantrag die Zustimmung des Antragstellers zum Verkauf eines Grundstücks. Das AG gab dem Antrag überwiegend statt und wies den Widerantrag zurück. Gegen den ihr am 26.10.2011 zugestellten Beschluss des AG legte die Antragsgegnerin am 22.11.2011 Beschwerde ein.
Am 9.12.2011 bestätigte die Geschäftsstelle des OLG der Antragsgegnerin den Eingang der Beschwerde. Dabei bezeichnete sie fälschlich den 26.11.2011 als Zustellungsdatum und den 26.1.2012 als das Ende der Beschwerdebegründungsfrist. Die Beschwerdebegründung ging beim OLG am 18.1.2012 ein. Mit Beschluss vom 16.2.2012 wies das OLG die Beteiligten darauf hin, dass bei streitiger Durchführung des Verfahrens mit erheblichen Kosten wegen eines einzuholenden Sachverständigengutachtens zu rechnen sei. Deswegen werde der Abschluss eines Vergleichs empfohlen.
Mit Verfügung vom 9.3.2012, die der Antragsgegnerin am 15.3.2012 zugestellt worden ist, wies das OLG darauf hin, dass die Beschwerde nicht rechtzeitig begründet worden und deshalb deren Verwerfung beabsichtigt sei. Am 15.3.2012 beantragte die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Ihre Verfahrensbevollmächtigte versicherte anwaltlich, sie habe mit einem per Computerfax übermittelten Schriftsatz vom 20.12.2011 die Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist um einen Monat beantragt. Den Schriftsatz sowie ein Faxprotokoll, das einen "OK"-Vermerk für die Versendung des Faxes am 20.12.2011 ausweist, fügte sie bei. Dieser Schriftsatz ist beim OLG nicht eingegangen.
Das OLG verwarf die Beschwerde der Antragsgegnerin unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht entschieden, dass die Antragsgegnerin die Beschwerdebegründung erst nach dem Ende der mit dem 27.12.2011 ablaufenden Zweimonatsfrist des § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG und damit verspätet eingereicht hat. Auch die Entscheidung des OLG, der Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verschuldens ihrer Rechtsanwältin zu versagen, steht mit der Rechtsprechung des BGH in Einklang.
Ein Rechtsanwalt darf auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung nicht so lange vertrauen, wie er keine anders lautende Nachricht vom Gericht erhält. Er hat vielmehr durch geeignete Organisationsmaßnahmen sicherzustellen, dass bei ausbleibender Reaktion des Gerichts auf sein Fristverlängerungsgesuch noch vor Ablauf der beantragten verlängerten Frist dort Nachfrage gehalten wird, ob und in welchem Umfang dem Antrag stattgegeben wurde. Kommt der Rechtsanwalt dem nicht nach, wird die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO spätestens zu dem Zeitpunkt in Gang gesetzt, zu dem er eine klärende Antwort auf eine solche Nachfrage erhalten hätte. Denn die Wiedereinsetzungsfrist beginnt, sobald die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter erkannt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Begründungsfrist versäumt worden ist.
Soweit dem Senatsbeschluss vom 28.3.2001 (XII ZB 100/00) im Hinblick auf die dort verneinte Erforderlichkeit, sich über den Eingang eines Fristverlängerungsantrags bei Gericht zu erkundigen, eine abweichende Auffassung entnommen werden kann, hält der Senat an diesen Ausführungen nicht fest. Nach alldem begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das OLG angenommen hat, der am 15.3.2012 gestellte Wiedereinsetzungsantrag sei nach §§ 117 Abs. 5 FamFG, 234 Abs. 1 S. 2 ZPO verspätet gestellt. Dabei kann offen bleiben, ob die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin spätestens zwei bis drei Wochen nach Stellung des Verlängerungsantrags gehalten war nachzufragen, ob die beantragte Fristverlängerung bewilligt wurde. Sie hätte jedenfalls spätestens zum 27.1.2012, dem letzten Tag der von ihr beantragten verlängerten Frist, beim OLG nachfragen müssen, ob und in welchem Umfang ihrem Verlängerungsantrag stattgegeben wurde.
Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, eine Nachfragepflicht habe vorliegend nicht bestanden, weil das OLG durch seine Hinweise bei der Antragsgegnerin eine Fehlvorstellung in Bezug auf den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist hervorgerufen und damit einen Vertrauenstatbestand begründet habe, vermag sie damit nicht durchzudringen. Die zweimonatige Beschwerdebegründungsfrist des § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG lief mit dem 27.12.2011 ab und nicht wie von der Geschäftsstelle des OLG mitgeteilt mit dem 26.1.2012. Diesen Fehler hätte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin bei einer Überprüfung bemerken müssen, zumal auch das in der Verfügung angegebene Zustellungsdatum unzutreffend war. Zur eigenverantwortlichen Überprüfung der Frist bestand jedenfalls Anlass, als der Verfahrensbevollmächtigten die Akte im Rahmen einer fristgebundenen Verfahrenshandlung hier des Antrags auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist vorgelegt wurde.
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