14.05.2014

PKW-Entnahme aus dem Unternehmen in den privaten Bereich mit anschließender Drittland-Ausfuhr stellt keine steuerfreie Ausfuhrlieferung dar

Entnimmt ein Unternehmer einen PKW aus seinem Unternehmen in seinen nichtunternehmerischen (privaten) Bereich und befördert ihn später in ein Drittland, so stellt dies weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht eine steuerfreie Ausfuhrlieferung dar. Da bei einer Entnahme (hier: i.S.d. Art. 16 der MwStSystRL) kein Verkauf stattfindet, existiert auch kein Verkäufer, durch den oder auf dessen Rechnung der Gegenstand versandt oder befördert worden sein könnte.

BFH 19.2.2014, XI R 9/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger betrieb im Streitjahr 2009 als "eingetragener Kaufmann" bzw. "e.K." i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 HGB eine Immobilienverwaltung. Im Mai 2008 erwarb er einen PKW des Typs Bentley Continental GTC für rund 168.067 € zzgl. 31.932 € Umsatzsteuer. Er ordnete den PKW in vollem Umfang seinem Unternehmensvermögen zu und nahm den Vorsteuerabzug vor, den das Finanzamt aber nur i.H.v. 87,66 % zum Abzug zuließ.

Im November 2008 verlegte der Kläger seinen privaten Wohnsitz in die Schweiz. Im Februar 2009 entnahm er den PKW aus seinem Unternehmen in seinen nichtunternehmerischen (privaten) Bereich. Die Bemessungsgrundlage dieser Entnahme wurde auf 105.000 € geschätzt. Er erteilte unter der deutschen Firma sich selbst (an die Privatanschrift in der Schweiz) eine Rechnung. Umsatzsteuer wies er dabei nicht aus. Im März 2009 wurde der PKW auf einem LKW in die Schweiz ausgeführt. Die Zollbehörden der Schweiz erhoben aufgrund der Einfuhr Mehrwertsteuer und Automobilsteuer.

Der Kläger behandelte die Entnahme des PKW zunächst als eine aufgrund von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG im Inland umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe (Entnahme). Später übermittelte er dem Finanzamt eine korrigierte Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Dezember 2009, in der er die steuerpflichtigen Umsätze um 105.000 EUR verringerte und die Entnahme als steuerfreien Umsatz mit Vorsteuerabzug anmeldete. Er vertrat die Auffassung, die Entnahme des PKW sei nach § 4 Nr. 1a i.V.m. § 6 UStG als Ausfuhrlieferung steuerfrei. Die Steuerbehörde folgte dieser Einschätzung jedoch nicht, weil nach § 6 Abs. 5 UStG für unentgeltliche Wertabgaben die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen ausgeschlossen sei. Der Kläger berief sich wiederum darauf, dass der Umsatz nach Art. 146 Abs. 1a der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) umsatzsteuerfrei sei.

Das FG wies die Klage ab. Auch die Revision des Klägers vor dem BFH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte zutreffend entschieden, dass die Entnahme des PKW sowohl nach den Vorschriften des nationalen Rechts als auch nach den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts im Inland umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig war. Der streitige Umsatz war nach nationalem Recht schon deshalb umsatzsteuerpflichtig, weil § 6 Abs. 5 UStG die Anwendung des § 6 UStG auf Umsätze i.S.d. § 3 Abs. 1b UStG ausschließt. Entgegen der Auffassung des Klägers folgte ein anderes Ergebnis auch nicht aus den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts (Art. 16, 31 f., 146 der MwStSystRL).

Nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH (vgl. Beschl. v. 5.10.1993, Az.: V B 58/93) ist auch nach Unionsrecht die Entnahme eines Gegenstands keine steuerfreie Ausfuhrlieferung i.S.d. Art. 15 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Zwar würden unentgeltliche Zuwendungen unter den im Unionsrecht genannten weiteren Bedingungen einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt; dies besage aber nicht, dass der Zuwendende auch "Verkäufer" i.S.d. Art. 15 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG sei. Nichts anderes gilt nach Auffassung des erkennenden Senats im Hinblick auf Art. 146 Abs. 1a der MwStSystRL: Da bei einer Entnahme (hier: i.S.d. Art. 16 der MwStSystRL) kein Verkauf stattfindet, existiert auch kein Verkäufer, durch den oder auf dessen Rechnung der Gegenstand versandt oder befördert worden sein könnte. Eine Anwendung des Art. 146 Abs. 1a der MwStSystRL auf Entnahmen für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen scheidet deshalb aus.

Der erkennende Senat schließt sich deshalb auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen EuGH-Rechtsprechung der Auffassung im BFH-Beschluss an. Denn nur diese Auslegung entspricht dem Zweck des Art. 16 der MwStSystRL (Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG), die Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen, der einen Gegenstand seines Unternehmens für private Zwecke entnimmt, und eines gewöhnlichen Verbrauchers zu gewährleisten, der einen gleichartigen Gegenstand kauft. Ein Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konnte, soll der Zahlung der Mehrwertsteuer nicht entgehen, wenn er diesen Gegenstand dem Vermögen seines Unternehmens für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals entnimmt, und daher gegenüber dem Endverbraucher, der den Gegenstand unter Zahlung von Mehrwertsteuer erwirbt, ungerechtfertigte Vorteile genießen.

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