Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG in der Fassung des ErbStRG und des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes
BFH 5.10.2011, II R 9/11Der Kläger ist zu 1/4 Miterbe seines im Januar 2009 verstorbenen Onkels. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruch zusammen. Der Wert des auf den Kläger entfallenden Anteils belief sich auf 51.266 €. Das Finanzamt wandte auf den sich hieraus nach Berücksichtigung des in § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG für Personen der Steuerklasse II vorgesehenen Freibetrags von 20.000 € und Abrundung gem. § 10 Abs. 1 S. 6 ErbStG verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von 31.200 € den in § 19 Abs. 1 ErbStG für die Steuerklasse II vorgesehenen Steuersatz von 30 % an, so dass sich eine Erbschaftsteuer von 9.360 € ergab.
Der Kläger begehrte einen Steuersatz von 15 % und eine Herabsetzung der Steuer auf 4.680 €. Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers forderte der BFH das Bundesministerium der Finanzen (BMF) auf, dem Verfahren beizutreten.
Die Gründe:
Die Aufforderung zum Beitritt beruht auf § 122 Abs. 2 FGO, weil das vorliegende Revisionsverfahren eine auf Bundesrecht beruhende Abgabe und eine Rechtsstreitigkeit über Bundesrecht, nämlich Vorschriften des ErbStG, betrifft.
In dem Verfahren muss entschieden werden,
- ob die auf Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkte Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II (u.a. Geschwister, Neffen und Nichten) mit Personen der Steuerklasse III (fremde Dritte) verfassungsgemäß ist und
- ob § 19 Abs. 1 i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG in der auf den 1.1.2009 zurückwirkenden Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22.12.2009 deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, weil die §§ 13a u. 13b ErbStG es ermöglichen, durch bloße Wahl bestimmter Gestaltungen (gewerblich geprägte Personengesellschaft; Kapitalgesellschaft) die Steuerfreiheit des Erwerbs von Vermögen gleich welcher Art und unabhängig von dessen Zusammensetzung und Bedeutung für das Gemeinwohl zu erreichen.
Das Bundesministerium wird um Mitteilung gebeten, ob und gegebenenfalls welche praktischen Erfahrungen im Besteuerungsverfahren oder bei Anträgen auf verbindliche Auskunft zu den aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten es bisher gibt. Sollte die Prüfung der angesprochenen Verfassungsfragen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und/oder Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, müsste der Senat nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des BVerfG einholen.
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