Rechtsweg bei Auskunftsansprüchen des Insolvenzverwalters gegenüber dem Finanzamt
BFH v. 16.6.2020 - II B 65/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter. Er begehrte beim Finanzamt u.a. Auskunft darüber, wann dieses gegen den Insolvenzschuldner erstmals Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet hat, die nicht zur sofortigen Befriedigung der zu vollstreckenden Forderungen geführt haben, und ob und wenn ja wann der Insolvenzschuldner um Stundung, Aussetzung der Vollstreckung oder Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung gebeten hat. Ferner bat er um Auflistung sämtlicher Zahlungen, die das Finanzamt seit erfolglosen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bzw. Anträgen auf Stundung, Aussetzung der Vollstreckung bzw. Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung von dem Schuldner erhalten hat. Der Auskunftsanspruch wurde ausschließlich auf § 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Informationsfreiheitsgesetz) gestützt.
Das Finanzamt lehnte den Auskunftsantrag nach § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ab. Die gewünschten Auskünfte dienten offensichtlich der Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Anfechtungsansprüche nach §§ 129 ff. InsO. In der Rechtsbehelfsbelehrung wies das Finanzamt darauf hin, dass gegen die Entscheidung Klage beim FG erhoben werden könne. Der Kläger hat gegen den Ablehnungsbescheid Klage vor dem FG erhoben und zugleich beantragt, den Rechtsstreit an das zuständige VG zu verweisen. Das FG ist dem Begehren nachgekommen und hat den Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige VG verwiesen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Entscheidung des FG, den Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige VG zu verweisen, ist nicht zu beanstanden.
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 FGO ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über eine Abgabenangelegenheit eröffnet. Für sonstige öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art ist nach § 40 Abs. 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen worden ist. Ob in einem Streitfall der Rechtsweg zu den Finanzgerichten oder zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet ist, richtet sich nach dem jeweiligen Klagebegehren. Stützt ein Kläger einen Auskunftsanspruch nicht auf die AO, sondern ausschließlich auf die Vorschriften eines Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet. Der Auskunftsanspruch ist zwar öffentlich-rechtlicher Natur. Er hängt aber nicht mit der Verwaltung von Abgaben i.S.d. § 33 FGO zusammen. Für solche Streitigkeiten ist folglich nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO ist der Finanzrechtsweg auch in anderen als den in § 33 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 FGO bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gegeben, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg ausdrücklich eröffnet ist. Eine solche Bestimmung des Rechtsweges enthält § 32i Abs. 2 AO. Nach dieser Vorschrift ist für Klagen der betroffenen Person hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten gegen Finanzbehörden oder gegen deren Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person der Finanzrechtsweg gegeben.
§ 32i Abs. 2 AO ist nicht über seinen Wortlaut hinaus auch auf solche Rechtsstreitigkeiten anzuwenden, in denen der Kläger seinen Auskunftsanspruch auf Vorschriften eines IFG stützt. Denn die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich auf Klagen "hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten" und "wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen". Damit sind ausschließlich Klagen von Personen gemeint, deren Daten nicht in Einklang mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen verarbeitet worden sind. § 32i Abs. 2 AO regelt damit den Rechtsweg für Klagen dieser Personen gegenüber der verantwortlichen Finanzbehörde oder zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde sowie für die gerichtliche Überprüfung von Anordnungen der Datenschutzaufsichtsbehörden gegenüber den Finanzbehörden, nicht aber für Klagen Dritter. Der Insolvenzverwalter ist jedoch weder eine betroffene Person i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO, noch verfolgt er datenschutzrechtliche Betroffenenrechte aus Art. 12 ff. DSGVO.
Aus § 32e AO lässt sich ebenfalls nicht herleiten, dass der Finanzrechtsweg auch für solche Rechtsstreitigkeiten eröffnet ist, in denen der Kläger seinen Auskunftsanspruch auf Vorschriften eines IFG stützt. Trotz des vom Gesetzgeber gewünschten materiellen Gleichklangs führt § 32e AO i.V.m. § 32i Abs. 2 AO nicht dazu, dass Auskunftsansprüche gegen die Finanzbehörden, die auf Vorschriften der IFG gestützt sind, vor den Finanzgerichten zu verhandeln sind. Auch wenn so eine "prozessuale Harmonisierung" aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes sinnvoll wäre, hat der Gesetzgeber weder in § 32e AO noch in § 32i Abs. 2 AO entsprechende Regelungen getroffen. Danach sind weiterhin die Verwaltungsgerichte für Auskunftsansprüche nach dem IFG zuständig. Dass neben den Finanzgerichten auch Verwaltungsgerichte zum Teil dieselben Normen der DSGVO und der AO anzuwenden haben, mag als unpraktisch empfunden werden; die Rechtsordnung nimmt dies jedoch in Kauf und sieht in Art. 95 Abs. 3 des Grundgesetzes einen Lösungsmechanismus vor.
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Der Kläger ist gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter. Er begehrte beim Finanzamt u.a. Auskunft darüber, wann dieses gegen den Insolvenzschuldner erstmals Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet hat, die nicht zur sofortigen Befriedigung der zu vollstreckenden Forderungen geführt haben, und ob und wenn ja wann der Insolvenzschuldner um Stundung, Aussetzung der Vollstreckung oder Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung gebeten hat. Ferner bat er um Auflistung sämtlicher Zahlungen, die das Finanzamt seit erfolglosen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bzw. Anträgen auf Stundung, Aussetzung der Vollstreckung bzw. Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung von dem Schuldner erhalten hat. Der Auskunftsanspruch wurde ausschließlich auf § 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Informationsfreiheitsgesetz) gestützt.
Das Finanzamt lehnte den Auskunftsantrag nach § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ab. Die gewünschten Auskünfte dienten offensichtlich der Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Anfechtungsansprüche nach §§ 129 ff. InsO. In der Rechtsbehelfsbelehrung wies das Finanzamt darauf hin, dass gegen die Entscheidung Klage beim FG erhoben werden könne. Der Kläger hat gegen den Ablehnungsbescheid Klage vor dem FG erhoben und zugleich beantragt, den Rechtsstreit an das zuständige VG zu verweisen. Das FG ist dem Begehren nachgekommen und hat den Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige VG verwiesen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Entscheidung des FG, den Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige VG zu verweisen, ist nicht zu beanstanden.
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 FGO ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über eine Abgabenangelegenheit eröffnet. Für sonstige öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art ist nach § 40 Abs. 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen worden ist. Ob in einem Streitfall der Rechtsweg zu den Finanzgerichten oder zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet ist, richtet sich nach dem jeweiligen Klagebegehren. Stützt ein Kläger einen Auskunftsanspruch nicht auf die AO, sondern ausschließlich auf die Vorschriften eines Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet. Der Auskunftsanspruch ist zwar öffentlich-rechtlicher Natur. Er hängt aber nicht mit der Verwaltung von Abgaben i.S.d. § 33 FGO zusammen. Für solche Streitigkeiten ist folglich nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO ist der Finanzrechtsweg auch in anderen als den in § 33 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 FGO bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gegeben, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg ausdrücklich eröffnet ist. Eine solche Bestimmung des Rechtsweges enthält § 32i Abs. 2 AO. Nach dieser Vorschrift ist für Klagen der betroffenen Person hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten gegen Finanzbehörden oder gegen deren Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person der Finanzrechtsweg gegeben.
§ 32i Abs. 2 AO ist nicht über seinen Wortlaut hinaus auch auf solche Rechtsstreitigkeiten anzuwenden, in denen der Kläger seinen Auskunftsanspruch auf Vorschriften eines IFG stützt. Denn die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich auf Klagen "hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten" und "wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen". Damit sind ausschließlich Klagen von Personen gemeint, deren Daten nicht in Einklang mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen verarbeitet worden sind. § 32i Abs. 2 AO regelt damit den Rechtsweg für Klagen dieser Personen gegenüber der verantwortlichen Finanzbehörde oder zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde sowie für die gerichtliche Überprüfung von Anordnungen der Datenschutzaufsichtsbehörden gegenüber den Finanzbehörden, nicht aber für Klagen Dritter. Der Insolvenzverwalter ist jedoch weder eine betroffene Person i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO, noch verfolgt er datenschutzrechtliche Betroffenenrechte aus Art. 12 ff. DSGVO.
Aus § 32e AO lässt sich ebenfalls nicht herleiten, dass der Finanzrechtsweg auch für solche Rechtsstreitigkeiten eröffnet ist, in denen der Kläger seinen Auskunftsanspruch auf Vorschriften eines IFG stützt. Trotz des vom Gesetzgeber gewünschten materiellen Gleichklangs führt § 32e AO i.V.m. § 32i Abs. 2 AO nicht dazu, dass Auskunftsansprüche gegen die Finanzbehörden, die auf Vorschriften der IFG gestützt sind, vor den Finanzgerichten zu verhandeln sind. Auch wenn so eine "prozessuale Harmonisierung" aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes sinnvoll wäre, hat der Gesetzgeber weder in § 32e AO noch in § 32i Abs. 2 AO entsprechende Regelungen getroffen. Danach sind weiterhin die Verwaltungsgerichte für Auskunftsansprüche nach dem IFG zuständig. Dass neben den Finanzgerichten auch Verwaltungsgerichte zum Teil dieselben Normen der DSGVO und der AO anzuwenden haben, mag als unpraktisch empfunden werden; die Rechtsordnung nimmt dies jedoch in Kauf und sieht in Art. 95 Abs. 3 des Grundgesetzes einen Lösungsmechanismus vor.