Restschuldbefreiung und Betriebsaufgabe
BFH 13.12.2016, X R 4/15Der Kläger ist als Handelsvertreter tätig und betrieb in den Jahren 1994 und 1995 daneben ein Einzelhandelsgeschäft für Kinderausstattung. Dieses gab er im Oktober 1995 auf. Das Betriebsstättenfinanzamt stellte in den Gewinnfeststellungsbescheiden jeweils Verluste aus der gewerblichen Tätigkeit fest. Im Jahr 1999 beantragte der Kläger die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen. Im Dezember 2006 erteilte das AG die Restschuldbefreiung durch Beschluss.
Im Jahr 2008 reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 ein. Dabei machte er nur Angaben zu seiner Handelsvertretertätigkeit. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer auf 0 € fest und stellte den verbleibenden Verlust zum 31.12.2006 fest. Nachdem das Staatliche Rechnungsprüfungsamt davon ausging, der Kläger habe seinen Gewerbebetrieb noch bis Januar 1996 ausgeübt und ihm seien aufgrund der Restschuldbefreiung betriebliche Schulden in unbekannter Höhe erlassen worden, forderte das Finanzamt ihn auf, Angaben über Art und Höhe der von der Restschuldbefreiung betroffenen Verbindlichkeiten zu machen. Da der Kläger der Aufforderung nicht nachkam, erließ das Finanzamt einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1995 und berücksichtigte einen sog. Befreiungsgewinn.
Im August 2010 erließ das Finanzamt einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006 mit Festsetzung auf 0 € sowie einen geänderten Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2006, mit dem es den Verlust um den Befreiungsgewinn minderte. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Es war der Ansicht, es fehle an der Änderungsbefugnis. Der BFH wies die Revision des Finanzamtes zurück.
Gründe:
Zwar ist ein Befreiungsgewinn grundsätzlich im Jahr der Erteilung der Restschuldbefreiung zu erfassen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Betrieb - wie hier - vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben wurde. Deshalb ist der Befreiungsgewinn im vorliegenden Fall nicht im Streitjahr 2006 zu berücksichtigen. Damit fehlt es für das Streitjahr an einer Vorschrift zur Änderung des betroffenen Verlustfeststellungsbescheides.
Stellt der Steuerpflichtige seine gewerbliche Tätigkeit ein, hat er eine Betriebsaufgabebilanz zu erstellen. In einer solchen Aufgabebilanz werden neben etwa veräußerten und in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgütern die verbliebenen Schulden mit den Werten des § 16 Abs. 3 EStG angesetzt. Im vorliegenden Fall war eine Aufgabebilanz auf einen Zeitpunkt vor Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerpflichtigen aufzustellen.
Erfolgt danach die Erteilung der Restschuldbefreiung, sind in der Aufgabebilanz ausgewiesene Verbindlichkeiten nicht mehr auszuweisen. Denn eine Verbindlichkeit ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB, § 5 Abs. 1 EStG) nicht mehr zu passivieren, wenn diese keine wirtschaftliche Belastung mehr darstellt. Das ist etwa der Fall, wenn mit einer Geltendmachung der Forderung durch den Gläubiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen ist. Diese GoB sind auch im Rahmen der Aufgabebilanz zu beachten.
Bis zum Eintritt der Rechtsschuldbefreiung sind betriebliche Verbindlichkeiten somit zum Nennwert anzusetzen. Erst der Eintritt der Restschuldbefreiung führt zu einer Neubewertung. Dies hat zur Folge, dass die insoweit unrichtige Aufgabebilanz nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO durch dieses nachträglich eingetretene Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit (Restschuldbefreiung) zu ändern ist.
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