Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten
BFH 7.8.2018, VII R 24/17Die Klägerin gab ihre Umsatzsteuererklärungen nicht oder erst verspätet ab. Das Finanzamt setzte im Anschluss an eine Außenprüfung in den geänderten Bescheiden für die Jahre 2005 und 2006 sowie 2008 und 2009 Umsatzsteuer gegen die Klägerin fest. Die Umsatzsteuerbescheide wurden bestandskräftig. Im Verlauf der Außenprüfung war zudem ein Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin eingeleitet worden. Das AG erließ daraufhin im Juni 2012 einen Strafbefehl wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer 2005 und 2006 sowie 2008 und 2009 nach § 370 Abs. 1 AO. Die hinterzogene Umsatzsteuer wurde mit insgesamt 20.596 € beziffert. Die Klägerin wurde gem. § 59 StGB verwarnt und die Festsetzung einer Gesamtgeldstrafe i.H.v. 75 Tagessätzen zu je 15 € blieb für den Fall vorbehalten, dass sich die Klägerin binnen zwei Jahren nicht bewähre. Dagegen erhob die Klägerin keinen Einspruch.
Im Juni 2014 stellte das AG fest, dass es mit der Verwarnung im Strafbefehl sein Bewenden habe. Daraufhin eröffnete das AG im Dezember 2015 auf Antrag der Klägerin (verbunden mit einem Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung) das Insolvenzverfahren über deren Vermögen. Das Finanzamt meldete Umsatzsteuerforderungen (einschließlich Zinsen und Säumniszuschlägen) für die Jahre 2005 und 2006 sowie 2008 und 2009 i.H.v. 24.859 € zur Tabelle an und fügte den Strafbefehl bei. Nach Übersendung der Umsatzsteuerbescheide stellte der Insolvenzverwalter die Forderungen wie angemeldet fest.
Nachdem die Klägerin der "Behauptung des Finanzamts" widersprochen hatte, dass die Forderung in einem Rechtsgrund begründet sei, der nach § 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen sei, stellte das Finanzamt im August 2016 die Umsatzsteuerforderungen (einschließlich Zinsen und Säumniszuschlägen) i.H.v. insgesamt 24.859 € als Insolvenzforderungen i.S.d. § 174 Abs. 2 InsO fest.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Das FG hat zutreffend angenommen, dass das Finanzamt den streitgegenständlichen Feststellungsbescheid erlassen durfte.
Da die Klägerin gegen den Strafbefehl nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt hatte, stand der Strafbefehl einem Urteil gleich. Die Klägerin ist auch wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden, obwohl neben dem Schuldspruch eine Strafe zwar bestimmt, die Verurteilung zu dieser Strafe jedoch lediglich vorbehalten blieb. Denn für den Fall einer Insolvenzstraftat hat der BGH diese Frage ausdrücklich bejaht und sich mit der abweichenden Ansicht im Schrifttum auseinandergesetzt.
Demnach darf das Finanzamt durch Verwaltungsakt gem. § 251 Abs. 3 AO feststellen, dass ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Steuerpflichtige ist auch dann wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt, wenn in einem Strafbefehl neben dem Schuldspruch eine Strafe bestimmt und die Verurteilung zu dieser Strafe vorbehalten worden ist. Die Feststellung darf sich auch auf den Zinsanspruch beziehen, selbst wenn die strafrechtliche Verurteilung nicht wegen der Zinsen erfolgt ist.
Schließlich lag auch keine unzulässige Rückwirkung vor, obwohl die in dem Strafbefehl festgelegte Bewährungszeit im Juni 2014 - somit vor der Neufassung des § 302 Nr. 1 3. Alt. InsO ab 1.7.2014 - bereits abgelaufen war. Abzustellen ist nämlich nicht auf die Verwirklichung der Steuerstraftaten bzw. die Verurteilung, sondern auf den Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung. Allerdings hat das FG zu Unrecht die Zinsen nicht berücksichtigt. Obgleich in dem Strafbefehl die Zinsen nicht aufgeführt worden waren, fielen sie unter § 302 Nr. 1 3. Alt. InsO. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes.
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