25.04.2016

Rückforderung der für Tonerdegewinnung gewährten Steuerbefreiungen rechtmäßig

Das EuG hat die Entscheidung der EU-Kommission, mit der die Rückforderung der von Frankreich, Irland und Italien für die Tonerdegewinnung gewährten Steuerbefreiungen angeordnet wurde, im dritten Rechtsgang bestätigt. Die Kommission hat die Unionsvorschriften über staatliche Beihilfen richtig angewandt und nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen.

EuG 22.4.2016, T-50/06 RENV II
Der Sachverhalt:
Tonerde (Aluminiumoxid) ist ein aus Bauxit gewonnenes weißes Pulver, das hauptsächlich in Gießereien zur Aluminiumerzeugung und daneben auch für chemische Zwecke verwendet wird. Bei der Gewinnung von Tonerde wird als Brennstoff vor allem Mineralöl eingesetzt. In Irland, Italien und Frankreich gibt es jeweils nur einen Tonerdehersteller: Aughinish Alumina in der Region Shannon, Eurallumina auf Sardinien und Alcan in der Region Gardanne. Irland, Italien und Frankreich befreiten diese Unternehmen von der Verbrauchsteuer auf die bei der Tonerdegewinnung verwendeten Mineralöle. Der Rat genehmigte die Befreiungen. Die Genehmigungen wurden verlängert und galten bis zum 31.12.2006.

In der Folge stellte die Kommission jedoch fest, dass diese aus staatlichen Mitteln finanzierten Maßnahmen den begünstigten Unternehmen einen Vorteil verschafften, selektiv seien, den Wettbewerb verfälschten und den Gemeinsamen Markt beeinträchtigten. Sie entschied daher im Jahr 2005, dass die gewährten Steuerbefreiungen rechtswidrige staatliche Beihilfen dargestellt hätten. Die bis zum 2.2.2002 gewährten Beihilfen wurden aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht zurückverlangt. Bei den vom 3.2.2002 bis zum 31.12.2003 gewährten Beihilfen ordnete die Kommission hingegen die Rückforderung an. Auch diese Beihilfen seien, soweit die Begünstigten nicht einen Steuersatz von mindestens 13 € pro 1.000 kg schweres Mineralöl gezahlt hätten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Das EuG gab der hiergegen gerichteten Klage von Frankreich, Irland und Italien statt und erklärte die Entscheidung der Kommission wegen Verstoßes gegen die Begründungspflicht für nichtig. Auf das Rechtsmittel der Kommission hob der EuGH das Urteil wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und Verletzung der Verteidigungsrechte auf und verwies die Rechtssache an das EuG zurück.

2012 entschied das Gericht erneut und erklärte die Entscheidung der Kommission von 2005 für nichtig, weil mit ihr die Rechtswirkungen der vorausgegangenen Entscheidungen des Rates, die Befreiungen zu genehmigen, teilweise zunichtegemacht worden seien. Die streitigen Befreiungen seien nicht den Mitgliedstaaten, sondern dem Rat zuzurechnen und stellten daher keine staatlichen Beihilfen dar. Auf das erneute Rechtmittel der Kommission hob der EuGH das Urteil wiederum auf und verwies die Sache ein zweites Mal an das EuG zurück. Der Gesichtspunkt der Zurechenbarkeit der Befreiungen sei nicht von den Parteien aufgeworfen, sondern vom EuG von Amts wegen berücksichtigt worden, wozu es jedoch nicht befugt gewesen sei. Außerdem sei die Kommission durch Entscheidungen des Rates, mit denen einem Mitgliedstaat die Genehmigung zur Vornahme einer Befreiung erteilt werde, nicht daran gehindert, zu prüfen, ob die Befreiung eine staatliche Beihilfe darstelle.

Im dritten Rechtsgang wies das EuG die Klage ab. Gegen die Entscheidung kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim EuGH eingelegt werden.

Die Gründe:
Die Entscheidung der Kommission ist gültig und die staatlichen Beihilfen sind deshalb für den Zeitraum vom 3.2.2002 bis zum 31.12.2003 zurückzufordern.

Die Kommission war trotz der Genehmigung des Rates befugt, zu prüfen, ob die von den drei Mitgliedstaaten gewährten Befreiungen eine staatliche Beihilfe darstellten. Die Genehmigungsentscheidungen des Rates greifen den Wirkungen von Entscheidungen, die die Kommission in Ausübung ihrer Befugnisse im Bereich staatlicher Beihilfen erlässt, nicht vor. Die Befreiung von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle hat den betreffenden irischen, französischen und italienischen Unternehmen gegenüber den anderen Unternehmen, die ebenfalls Mineralöle verwenden, einen Vorteil verschafft. Die Kommission hat auch klar dargelegt, warum die streitigen Befreiungen geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb auf dem Markt zu verfälschen. Denn sie haben die Wettbewerbsposition der in Irland, Frankreich und Italien ansässigen Tonerdehersteller gegenüber den übrigen europäischen Tonerdeherstellern gestärkt.

Die Kommission hat auch nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Zwar hat das Verfahren übermäßig lang gedauert (die Entscheidung der Kommission erging erst 49 Monate nach der Einleitung des Verfahrens). Das ist aber kein außergewöhnlicher Umstand, der geeignet wäre, bei den betroffenen Unternehmen ein berechtigtes Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der streitigen Beihilfen zu begründen. Die Befreiungen wurden gewährt, nachdem die Kommission das förmliche Prüfverfahren eingeleitet hatte. Außerdem waren die Beihilferegelungen der Kommission nicht gemeldet worden. Bei verständiger Würdigung konnten die betroffenen Unternehmen daher trotz der Verzögerung des Prüfverfahrens nicht davon ausgehen, dass die Kommission keine Bedenken mehr hatte und gegen die streitigen Befreiungen keine Einwände bestanden. Die Anordnung der Rückforderung der streitigen Beihilfen durch die Kommission ist insoweit nicht zu beanstanden.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.

EuG PM Nr. 45 vom 22.4.2016
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