28.09.2023

Rückforderung von Altersvorsorgezulage vom Zulageempfänger nach Schaffung des § 90 Abs. 3a EStG

Auch nach der Einfügung des Abs. 3a in § 90 EStG ist weiterhin davon auszugehen, dass die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen rechtsgrundlos geleistete Zulagebeträge nach Beendigung und Abwicklung des Altersvorsorgevertrags unmittelbar vom Zulageempfänger gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG zurückfordern kann.

Kurzbesprechung
BFH v. 23.8.2023 - X R 9/21

AO § 37 Abs 2
EStG § 90 Abs 3, § 90 Abs 3a, § 96 Abs 1 S 1


Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG sind auf die Zulagen und die Rückzahlungsbeträge die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden. Dies betrifft, da die Abgabenordnung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AO auch für Steuervergütungen gilt, sämtliche Vorschriften der Abgabenordnung, soweit keine Sonderregelungen vorgehen. Folglich ist im Fall der Rückforderung von Zulagen auch § 37 Abs. 2 AO anwendbar, soweit die §§ 93 bis 95 EStG keine spezielleren Regelungen enthalten.

Im Streitfall kam eine Anwendung der §§ 93 bis 95 EStG nicht in Betracht, da der Altersvorsorgevertrag im Wege einer Einmalzahlung an die Zulageberechtigte zur Abfindung einer Kleinbetragsrente nach § 93 Abs. 3 Satz 1 EStG aufgelöst worden war. Eine solche Einmalzahlung ist ausdrücklich nicht als schädliche Verwendung im Sinne der genannten Regelungen anzusehen. Weder § 90 Abs. 3 EStG noch die seit dem Kalenderjahr 2018 geltende Regelung des § 90 Abs. 3a EStG kamen im Streitfall zur Anwendung. Sie stellen auch keine abschließenden Sonderregelungen zur Rückforderung von zu Unrecht nach Beendigung des Altersvorsorgevertrags gezahlten Zulagen dar.

§ 90 Abs. 3 EStG war im Streitfall schon deshalb nicht anwendbar, weil der Altersvorsorgevertrag zum Zeitpunkt der Rückforderung der an die Zulageberechtigte für die Streitjahre 2017 und 2018 gezahlten Zulagen beendet war. Gemäß § 90 Abs. 3 Satz 1 EStG hat die ZfA für den Fall, dass sie bis zum Ende des zweiten auf die Ermittlung der Zulage folgenden Jahres erkennt, dass der Zulageanspruch ganz oder teilweise nicht besteht oder weggefallen ist, die zu Unrecht gutgeschriebene oder ausgezahlte Zulage bis zum Ablauf eines Jahres nach der Erkenntnis zurückzufordern und dies dem Anbieter durch Datensatz mitzuteilen. Bei bestehendem Vertragsverhältnis hat der Anbieter gemäß § 90 Abs. 3 Satz 2 EStG das Konto zu belasten. Voraussetzung für eine Anwendung des § 90 Abs. 3 EStG und damit für die Rückforderung über den Anbieter ist ein bestehendes Vertragsverhältnis.

Im Streitfall war der Altersvorsorgevertrag bereits am 01.03.2018 beendet worden. Eine Belastung des zuvor vom Anbieter für die Zulageberechtigte geführten Kontos gemäß § 90 Abs. 3 Satz 2 EStG war nicht mehr möglich. Somit schied eine Anwendung des § 90 Abs. 3 EStG bereits aus diesem Grunde aus.

§ 90 Abs. 3 EStG stellt keine abschließende Sonderregelung für die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Zulagen dar, die einen Rückgriff auf § 37 Abs. 2 AO ausschlösse. Ebenfalls nicht erfüllt waren die Voraussetzungen des § 90 Abs. 3a EStG. Denn auch diese Vorschrift ist keine den § 37 Abs. 2 AO verdrängende Sonderregelung für zu Unrecht gezahlte Zulagen.

Die mit Wirkung ab dem 01.01.2018 eingefügte Regelung in § 90 Abs. 3a EStG betrifft die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Zulagen nach der Durchführung einer versorgungsrechtlichen Teilung des Altersvorsorgevertrags (Satz 1), nach einer Inanspruchnahme eines Altersvorsorge-Eigenheimbetrags im Sinne des § 92a Abs. 1 EStG (Satz 2 Alternative 1) oder während einer Darlehenstilgung bei Altersvorsorgeverträgen nach § 1 Abs. 1a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (Satz 2 Alternative 2). In allen drei Fällen setzt die ZfA den Rückforderungsbetrag nach Abs. 3 unter Anrechnung bereits vom Anbieter einbehaltener und abgeführter Beträge gegenüber dem Zulageberechtigten fest, soweit das Guthaben auf dem (Altersvorsorge-)Vertrag des Zulageberechtigten zur Zahlung des Rückforderungsbetrags nach § 90 Abs. 3 Satz 1 nicht ausreicht. Im Fall der durchgeführten versorgungsrechtlichen Teilung des Altersvorsorgevertrags betrifft dies nur den Zulagebetrag als Teil des Rückforderungsbetrags, der in der Ehe- und Lebenspartnerschaftszeit ausgezahlt worden ist (Satz 1 Nr. 2). Im Streitfall waren die Voraussetzungen aller drei Alternativen erkennbar nicht erfüllt.

Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO waren im Streitfall hinsichtlich der Rückforderung der Zulagen für die Streitjahre 2017 und 2018 erfüllt. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung unter anderem eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Leistungsempfänger im Sinne des § 37 Abs. 2 AO ist dabei derjenige, demgegenüber die ZfA als Finanzbehörde eine abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will - also der Zulageberechtigten, obwohl die Zulagen an die Anbieterin überwiesen worden sind. Denn die Anbieterin ist lediglich eine Dritte und die Zahlung an sie erfolgte in Erfüllung der vermeintlichen Ansprüche der Zulageberechtigten. Aus diesem Grunde leitete die Anbieterin die Zahlungen nach Beendigung des Altersvorsorgevertrags auch an die Zulageberechtigte weiter. Sie hatte die Zulagen für beide Streitjahre ohne rechtlichen Grund erhalten, da sie in diesen Jahren nicht mehr in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert und auch aus keinem anderen Grunde (mittelbar) zulageberechtigt war.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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