03.12.2020

Rückgabegewinn bei Anteilen an Immobilienfonds im Betriebsvermögen

Die von § 2 Abs. 1 InvStG 2004 nicht erfasste Ausschüttung eines sog. Liquiditätsüberhangs ("negativ thesaurierte Erträge") führt im Rahmen der betrieblichen Bewertung der Immobilienfonds-Anteile des Ausschüttungsempfängers nicht zu einer Minderung der Anschaffungskosten; vielmehr ist ein passiver Ausgleichsposten zu bilden, der im Zeitpunkt der Rückgabe/Veräußerung der Anteile gewinnerhöhend aufzulösen ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 1.7.2020 - XI R 10/18

HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4, § 255 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1 S. 1
InvStG § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 3 S. 1, § 4, § 8 Abs. 5
KAGG § 45


Die Steuerpflichtige ist eine Sparkasse in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts i.S. des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen, die mit ihrem gesamten Geschäftsbetrieb als Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 4 Abs. 1 KStG der Körperschaftsteuer unterliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). Zum Betriebsvermögen gehörten Anteile an mehreren (dem Investmentgesetz unterliegenden) Immobilienfonds.

Die Steuerpflichtige hat in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Gewinne (nur) dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Nach diesen Grundsätzen hatte die Steuerpflichtige einen Gewinn aus der Rückgabe von Fondsanteilen in den Streitjahren realisiert.

Der bei der jeweiligen Rückgabe realisierte Gewinn entspricht der Differenz aus dem Rücknahmepreis einerseits und dem Buchwert des Anteils andererseits. Der Buchwert der Anteile entsprach sowohl im Rahmen der Erstbewertung als auch zum Ende der jeweiligen Streitjahre den Anschaffungskosten der Anteile. Eine Minderung der Anschaffungskosten war durch im Laufe der Behaltenszeit angefallene sog. negativ thesaurierte Erträge nicht eingetreten.

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Dieser handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten ist in Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz auch der steuerbilanziellen Beurteilung zugrunde zu legen Der auf dieser Grundlage erforderliche (Veranlassungs-)Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang besteht allerdings nicht, wenn es im Laufe der Behaltenszeit der Anteile zu Ausschüttungen aus dem Investmentvermögen kommt, die den Rechtsbegriff der ausgeschütteten Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004) oder den der ausschüttungsgleichen Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004) nicht erfüllen.

Ein Beispiel sind sog. negativ thesaurierte Erträge. Sie liegen vor, wenn aus dem Investmentvermögen der dort aufgrund von nicht liquiditätswirksamer AfA/AfS (Minderung der zugeflossenen Einnahmenentstandene geschäftsjahrbezogene "Liquiditätsüberhang" an die Anleger "steuerneutral" --da nicht von § 1 Abs. 3 und §   InvStG 2004 erfasst-- ausgeschüttet wird. Dass Empfänger dieser Ausschüttungen ausschließlich Anleger sind, reicht für den Veranlassungszusammenhang mit dem Erwerbsvorgang nicht aus.

Für die Besteuerung von Erträgen aus einer Investmentfondsanlage gelten für den betrieblichen Anleger und die bilanzielle Gewinnermittlung die Maßgaben der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG und der GoB, da das Investmentsteuerrecht insoweit keine eigenständige (bzw. abschließende) Regelung trifft. Insoweit kommt es nicht in Betracht, der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 (i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2) InvStG 2004 zum Umfang der Steuerpflicht von aus dem Fonds ausgeschütteten Erträgen (auf der Grundlage einer Ermittlung der Erträge des Investmentvermögens entsprechend § 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004) eine Rechtswirkung beizumessen, die auch den Umfang einer besteuerbaren Betriebsvermögensmehrung beim bilanzierenden Anleger abschließend (und zugleich andere Umstände ausschließend) beschreibt.

Wenn damit bei der Gewinnermittlung des bilanzierenden Anlegers auch Vermögensmehrungen einkommenserheblich sein können, die beim privaten Anleger kraft Gesetzes als nicht besteuerbar anzusehen sind, ist aber der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung --unabhängig von einer handelsrechtlichen Wertung -- für die steuerrechtliche Gewinnermittlung nicht mit dem Zuflusszeitpunkt gleichzusetzen, wenn eine sachliche Nähe zum "inneren Wert" der Anteile besteht und dies einen engen Zusammenhang mit dem (künftigen) Realisationsakt für diese Wirtschaftsgüter rechtfertigt. Insoweit wird der Zufluss unter Beachtung der investmentsteuerrechtlichen Maßgaben nicht dem (laufenden) Ertragsbereich zugewiesen, sondern der (Betriebs-)Vermögenssphäre des betrieblichen Anlegers und es besteht eine steuerrechtliche Auswirkung (erst) bei einer darauf bezogenen Realisation durch Veräußerung/Rückgabe der Anteile.

Das FG hatte im Streitfall auch ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die gewinnneutrale Berichtigung des Bilanzansatzes (Berechnung eines Anfangsbestandes des passiven Ausgleichspostens zum 01.01.2007) mit Blick auf die bestandskräftigen Veranlagungen der Vorjahre nach den steuerrechtlichen Grundsätzen zur Bilanzberichtigung wirksam erfolgen konnte.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück