Schadensberechnung bei Pflichtverletzung: Steuerliche Beratung im Interesse mehrerer verbundener Unternehmen
BGH 10.12.2015, IX ZR 56/15In den Jahren 1999 und 2000 hatte die Unternehmerin E. die beklagte Steuerberatungskanzlei mit der steuerrechtlichen Optimierung ihrer Vermögensverhältnisse beauftragt. Damals war E. Alleingesellschafterin der klagenden GmbH, und hielt überdies Anteile an der C. Auf der Grundlage des im Januar 2001 durch die Beklagte vorgelegten steuerlichen Gesamtkonzeptes gründete E. eine (eigennützige) Stiftung in Liechtenstein und übertrug ihre Anteile an der Klägerin und der C. auf die Stiftung. Den Kaufpreis wurde gestundet.
Das Konzept, das E. beratungskonform umsetzte, umfasste die Rückzahlung eines verzinsten Darlehens, das die Klägerin im April 2000 von der C. erhalten hatte. Hierfür gewährte die Stiftung der Klägerin ein Darlehen i.H.v. rd. 23,5 Mio. DM. Der von der Beklagten vorgelegte Entwurf des zwischen der Klägerin und der Stiftung abzuschließenden Darlehensvertrags sah - wie bereits im Gesamtkonzept angelegt - vor, dass die Darlehensforderung unverzinslich sein sollte. Die Beklagte rechnete ihre Beratungsleistungen gegenüber der Stiftung ab.
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung für den Veranlagungszeitraum 2004 bis 2008 beanstandete das Finanzamt, dass die Klägerin die unverzinsliche Darlehensverbindlichkeit nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abgezinst habe. Gestützt auf eine tatsächliche Verständigung mit der Klägerin, wonach eine fiktive Laufzeit des Darlehens von sechseinhalb Jahren angenommen wurde, erließ die Behörde korrigierte Steuerbescheide. Daraufhin machte die Klägerin die ihr dadurch entstandenen steuerlichen Mehrbelastungen und Nachforderungszinsen i.H.v. insgesamt rd. 1,6 Mio. € gegenüber der Beklagten geltend. Hilfsweise beantragt sie die Feststellung, dass ihr Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht der Stiftung zustehen.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH die Urteile auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Entgegen der Ansicht des OLG ist - eine Haftung dem Grunde nach unterstellt; das Berufungsgericht hat bisher offen gelassen, ob eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt - für die Schadensbetrachtung nicht ausschließlich die Vermögenslage der Klägerin entscheidend. Vielmehr sind aufgrund der konkreten Ausgestaltung des der Beklagten erteilten Mandats im Rahmen einer konsolidierten Schadensberechnung die der Stiftung (hypothetisch) entgangenen Vorteile in Form von Zinszahlungen durch die Klägerin zu berücksichtigen. Ausgangspunkt der Schadensberechnung ist die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre.
Dies führt im Rahmen der Beraterhaftung dazu, dass der haftpflichtige Steuerberater grundsätzlich nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen hat; eine Ausnahme bilden die Drittschadensliquidation und der Vertrag zugunsten Dritter sowie mit Schutzwirkung für Dritte. Die hiernach grundsätzlich gebotene formale Betrachtungsweise führt dazu, dass streng zwischen den Vermögensmassen unterschiedlicher Beteiligter zu unterscheiden ist. Ist der Steuerberater - wie hier - von einem Gesellschafter mandatiert worden, ist daher zunächst festzustellen, in wessen Person ein Schaden eingetreten ist.
Abweichend von diesen Grundsätzen kann aber bei der Bestimmung des jeweils eigenen Schadens die Einbeziehung der Vermögensinteressen eines Dritten nach dem Inhalt des Beratungsvertrags geschuldet sein mit der Folge, dass eine konsolidierte Schadensbetrachtung geboten ist. Entscheidend ist hierbei der konkrete Auftrag, den der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat: Wenn der Mandant im Rahmen einer Gestaltungsberatung die Berücksichtigung der Interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen.
In ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass in einer - etwa im Interesse der Steuerersparnis - gewollten und gewünschten Vermögensübertragung zugunsten von Familienangehörigen ohne gleichwertige Gegenleistung kein Schaden im Rechtssinn und in ihrem Unterbleiben kein mit dem Steuerschaden verrechenbarer Vermögensvorteil gesehen werden kann. Die Grundsätze der konsolidierten Schadensbetrachtung sind auch auf die vorliegende Fallgestaltung anzuwenden. Für die Feststellung, ob die tatsächliche von der bei pflichtgemäßer Beratung eingetretenen hypothetischen Vermögenslage nachteilig abweicht und somit ein Schaden der in den Schutzbereich des Beratungsvertrages einbezogenen Klägerin vorliegt, sind nach dem im Gesamtsteuerkonzept zum Ausdruck kommenden Willen der E. als Mandantin auch die Vermögensmassen der Klägerin und der Stiftung in die Schadensbetrachtung einzubeziehen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.