Schmuggelzigaretten: Erwerber wird nicht Schuldner der Tabaksteuer
Hessisches FG 23.8.2016, 7 V 786/16Bei Ermittlungen des Zollfahndungsdienstes mittels Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach § 100a StPO von März bis August 2013 kam der Verdacht auf, dass der Antragsteller, der deutscher und russischer Staatsangehöriger ist, aus Kasachstan stammende Zigaretten erwarb, die zuvor auf dem Flughafen in das Zollgebiet der EU und das deutsche Steuergebiet als Diplomatengut getarnt eingeschmuggelt worden waren. Die Zollfahndung stellte insgesamt 20 Zigarettenlieferungen zu je 40 oder 50 Kartons mit jeweils 50 Stangen à 200 Stück (= 10.000 Stück je Karton) fest, derentwegen mehrere Personen vom LG rechtskräftig zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden.
Zu den verurteilten Personen gehörte auch B., ehemaliger Generalkonsul der Republik Kasachstan. Bei der Überwachung des Mobilfunkanschlusses des B. wurden auf russisch geführte Gespräche des B. mit dem Antragsteller festgestellt, die als Abnahmegespräche einstuft wurden, weshalb gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. In den Gesprächen kam zwar das russische Wort für Zigaretten nicht vor. Nach Auffassung der Ermittlungsbehörden benutzten Beteiligten jedoch eine codierte Sprechweise, die den Beamten bereits bekannt war. Dabei wurden überwiegend Begriffe wie Schweinefleisch, Rindfleisch, Lammfleisch verwendet.
Nach Ansicht des Antraggegners stand fest, dass der Antragsteller in dem besagten Zeitraum rund 220.000 Zigaretten erworben hatte. Die Behörde erließ demgemäß einen Steuerbescheid über Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer. Der Antragsteller begehrte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Einfuhrabgabenbescheids. Das FG hat die Vollziehung des Steuerbescheids teilweise ausgesetzt.
Die Gründe:
Der Antrag war hinsichtlich der Tabaksteuer begründet und hinsichtlich des Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer unbegründet.
Hinsichtlich des Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer hatte der Senat keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids. Die Zollschuldnerschaft des Antragstellers folgte aus Art. 202 Abs. 3, 3. Anstrich ZK. In Verbindung mit dieser Norm wurde der Antragsteller gem. § 13a Abs. 2 u. § 21 Abs. 2 UStG auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Es bestanden keine begründeten Zweifel daran, dass der Antragsteller zumindest vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zoll- bzw. Steuergebiet verbracht worden waren. Das ergab sich schon daraus, dass verzollte und versteuerte Zigaretten ungleich teurer sind als die Zigaretten, die die Tätergruppierung an ihre Abnehmer abgegeben hatte.
Der Senat hatte indessen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids in Bezug auf die Tabaksteuer. Denn der Erwerber eingeschmuggelter Zigaretten, der - wie der Antragsteller - nicht auch an der unrechtmäßigen Einfuhr beteiligt war, wird nicht Schuldner der Tabaksteuer. Seit der Neufassung des Tabaksteuergesetzes durch Art. 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 15.7.2009, der am 1.4.2010 in Kraft trat, gelten nicht mehr die Vorschriften für Zölle sinngemäß. Vielmehr enthält das Tabaksteuergesetz seitdem insoweit eigene Tatbestände. Die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften ist gem. § 21 Abs. 3 TabStG n.F. nur noch für das Erlöschen der Steuer und das Steuerverfahren vorgesehen.
Anders als in Art. 202 Abs. 3 ZK und nunmehr Art. 79 Abs. 3 UZK (3. Anstrich bzw. Buchst. c) findet sich in dem neuen Tabaksteuergesetz indessen kein Tatbestand, wonach auch der Erwerber vorschriftswidrig verbrachter Tabakwaren oder die Person, die solche Waren in Besitz genommen hat, Steuerschuldner wird. Neben der Person, die nach den Zollvorschriften verpflichtet ist, die Tabakwaren anzumelden oder in deren Namen die Tabakwaren angemeldet werden - beides trifft auf den Antragsteller nicht zu -, wird gem. § 21 Abs. 2 S. 1 TabStG nur noch "jede andere Person, die an einer unrechtmäßigen Einfuhr beteiligt ist" (Nr. 2), Steuerschuldner. Die vorgelegten Akten gaben nichts dafür her, dass der Antragsteller an der "unrechtmäßigen Einfuhr" der Zigaretten beteiligt war.
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