Schönheitsoperationen sind in der Regel auch nicht nach Treu und Glauben steuerfrei
BFH 7.10.2010, V R 17/09Die Klägerin ist als Fachärztin für Chirurgie und plastische Chirurgie in eigener Praxis tätig. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das Finanzamt - anders als zuvor - die Auffassung, dass die Leistungen der Klägerin bei Schönheitsoperationen nach § 4 Nr. 14 UStG 1993/1999 nicht steuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig seien. Es erließ entsprechende Änderungsbescheide für die Streitjahre 1998 bis 2002, nach denen 65 % der insgesamt erzielten Privatpatientenerlöse umsatzsteuerpflichtig waren. Einen Antrag der Klägerin, die Steuer aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO auf 0 € festzusetzen, lehnte das Finanzamt ab.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Klägerin war der Ansicht, das FG habe die Voraussetzungen des § 163 AO verkannt, da es um das Vertrauen in ein europarechtlich fehlerhaftes Gesetz gehe. Die ästhetisch-plastische Chirurgie gehöre zu den anerkannten Fachbereichen der Chirurgie. Auf diesen klaren Rechtszustand habe sie vertrauen dürfen.
Die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb allerdings erfolglos.
Die Gründe:
Die Besteuerung der Klägerin verstieß nicht gegen die materiell-rechtlichen Wertungen des UStG.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung sind gem. § 4 Nr. 14 S. 1 UStG nur Tätigkeiten steuerfrei, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden. Wird eine ärztliche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit ist, sind § 4 Nr. 14 S. 1 UStG und Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG auf diese Leistung nicht anzuwenden.
In Übereinstimmung hiermit hat der BFH mit Urteil vom 15.7.2004 (Az.: V R 27/03) entschieden, dass es für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen nicht ausreicht, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden können. Erforderlich ist vielmehr, dass auch derartige Operationen dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Die Auffassung, dass Leistungen der Schönheitschirurgen als "ärztliche" Tätigkeit ohne Rücksicht auf ihre medizinische Indikation steuerfrei sind, ist damit nicht vereinbar. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Eine Billigkeitsmaßnahme kam auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes in Betracht. Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. Eine solche Vertrauenssituation kann der Steuerpflichtige selbst durch die Erteilung einer verbindlichen Zusage oder Auskunft des Finanzamtes herbeiführen. Daran fehlt es allerdings im vorliegenden Fall.
Auch dass zuvor bei mehreren Außenprüfungen die von der Klägerin angenommene Steuerfreiheit nicht beanstandet worden war, begründete keinen nach Treu und Glauben zu beachtenden Vertrauenstatbestand. Denn nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung ergibt sich allein aus der früheren, auch aufgrund von Außenprüfungen vorgenommenen Beurteilung keine Bindung des Finanzamtes für die Zukunft.
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