22.08.2014

Schwimmunterricht kann umsatzsteuerfrei sein

Schwimmunterricht kann als von Privatlehrern erteilter Schulunterricht steuerfrei sein. Die Leistungen sind zwar nach nationalem Recht nicht steuerfrei, die Steuerfreiheit ergibt sich aber aus dem Unionsrecht.

BFH 5.6.2014, V R 19/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger, der das erste Staatsexamen für das Lehramt für die Fächer Sport und Physik abgelegt hat, führte in den Streitjahren Umsätze im Rahmen einer von ihm betriebenen "Schwimmschule" aus. Mit mehreren Arbeitnehmern, überwiegend Physiotherapeuten, führte er Baby-, Kleinkinder-, sonstige Kinder- und Erwachsenenschwimmkurse sowie Wassergymnastik wie Aqua-Jogging oder Aqua-Fitness in Hallenbädern durch. Diese mietete er vom jeweiligen kommunalen Betreiber stundenweise an. Die Kursteilnehmer entrichteten für die Teilnahme an den Kursen an den Kläger ein Entgelt, das auch ein auf die Kursteilnehmer entfallendes Eintrittsgeld für die Hallenbadbenutzung umfassen konnte.

Die Hallenbadbetreiber erhoben vom Kläger für die Nutzungsüberlassung der Hallenbäder ein Entgelt von in der Regel 20 Prozent der von ihm vereinnahmten Kursgebühren. Auf der Grundlage von § 20 SGB V erstatteten Krankenkassen die für die Aqua-Fitness-Kurse erhobenen Entgelte ganz oder teilweise an die Kursteilnehmer. Der Kläger gab keine Umsatzsteuererklärungen ab, da er seine Leistungen als steuerfrei ansah. Das Finanzamt ging demgegenüber davon aus, dass der Kläger steuerpflichtige Leistungen erbracht habe und erließ dementsprechende Umsatzsteuerbescheide.

Das FG wies die Klage hinsichtlich der noch streitigen Kurse wie Babyschwimmen, Kleinkindschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hat zwar zutreffend entschieden, dass die Leistungen des Klägers nicht nach nationalem Recht steuerfrei sind. Der Kläger kann aber einen Anwendungsvorrang der Richtlinie geltend machen, wozu noch weitere Feststellungen zu treffen sind.

Die Leistungen des Klägers sind nicht nach nationalem Recht steuerfrei. Nach § 4 Nr. 21 UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gem. Art. 7 Abs. 4 GG staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Der Kläger ist weder als Ersatzschule staatlich genehmigt noch nach Landesrecht erlaubt. Für die im finanzgerichtlichen Verfahren noch streitigen Kurse liegt auch keine Bescheinigung über die Vorbereitung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vor.

Der Kläger kann sich für eine Steuerfreiheit seiner Leistungen aber auf das Unionsrecht berufen. Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Nach dem zu dieser Bestimmung ergangenen EuGH-Urteil vom 28.1.2010 (C-473/08) kommt es auf Unterrichtseinheiten an, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen. Dies erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Dem hat sich der BFH angeschlossen.

Demzufolge können einzelne Kurse, die der Kläger durchgeführt hat, als Schulunterricht eines Privatlehrers steuerfrei sein. Dies gilt insbes. für das Kleinkindschwimmen, da an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, zum einen ein hohes Gemeinwohlinteresse besteht und zum anderen die Erlangung dieser Fähigkeit auch in öffentlichen Schulen unterrichtet wird. Dies mag auf Kurse wie Babyschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness nicht zutreffen, zumal bei diesen auch der Charakter bloßer Freizeitgestaltung nicht zu vernachlässigen ist. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass, sofern die Leistungen des Klägers nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sind, eine Berufung auf andere Befreiungstatbestände des Unionsrechts nicht in Betracht kommt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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