29.11.2017

Sind Leistungen von einer österreichischen AG als Einlagenrückgewähr steuerfrei zu stellen?

Körperschaften, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtig sind, können gem. § 27 Abs. 8 S. 1 KStG eine Einlagenrückgewähr leisten, wenn sie Leistungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 9 EStG gewähren können. Die Einlagenrückgewähr ist in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 bis 6 KStG und der §§ 28 und 29 KStG zu ermitteln. Der als Leistung i.S.d. § 27 Abs. 8 S. 1 KStG zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der Körperschaft für den jeweiligen Veranlagungszeitraum gesondert festgestellt.

Hessisches FG 25.9.2017, 3 K 737/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2011 u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Er war damals Gesellschafter der in Österreich ansässigen X-AG und hielt an dieser insgesamt 307.500 Inhaberaktien, von denen 300.000 vor dem 1.1.2009 erworben worden waren. Am 28.9.2011 fasste die Hauptversammlung der X-AG den Beschluss, aus dem Bilanzgewinn der Gesellschaft einen Betrag von 0,10 € pro Aktie auszukehren, was nach österreichischem Steuerrecht als (steuerneutrale) Einlagenrückgewähr gem. § 4 Abs. 12 Ö-EStG zu qualifizieren ist. Eine entsprechende Bekanntmachung der Gesellschaft erfolgte noch am selben Tag.

Die depotführende Bank kündigte am 29.9.2011 an, dass die von der Gesellschaft beschlossene Kapitalrückzahlung (Return of Capital) nach Eingang des Geldes dem Kläger gutgeschrieben werde. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Kapitalmaßnahme um einen steuerpflichtigen Ertrag handeln könne. Mit weiterem Schreiben (Neuabrechnung /Dividendengutschrift) vom 11.10.2011 teilte sie sodann mit, dass es sich um eine Kapitalrückzahlung gem. Rz. 92 des BMF-Schreibens vom 22.12.2009 (IV C 1 - S 2252/08/10004 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer) handele. Sie behielt vom - um eingebuchte negative Kapitalerträge geminderten - Gesamtbetrag Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag ein und führte diese Beträge an das Finanzamt ab.

In seiner Einkommensteuererklärung 2011 erklärte der Kläger in Zeile 7 (Kennziffer 210) der Anlage KAP, dass der von der X-AG erhaltene Betrag von der Besteuerung ausgenommen werden soll. Dies lehnte das Finanzamt ab. Es setzte die Einkommensteuer unter Anwendung des Abgeltungssteuersatzes auf die Kapitalerträge fest. Darin ist die Leistung der X-AG enthalten.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: VIII R 18/17 anhängig.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat die Leistungen, die der Kläger von der X-AG im Streitjahr bezogen hatte, zu Recht als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien und Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG gilt entsprechendes für Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3-5 KStG, die Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 wirtschaftlich vergleichbar sind, soweit sie nicht bereits zu den Einnahmen i.S.d. Nr. 1 gehören. Das gilt entsprechend für Leistungen von vergleichbaren Körperschaften, Personenvereinigung oder Vermögensmassen, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland haben (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 EStG).

Körperschaften, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtig sind, können gem. § 27 Abs. 8 S. 1 KStG eine Einlagenrückgewähr leisten, wenn sie Leistungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 9 EStG gewähren können. Die Einlagenrückgewähr ist in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 bis 6 KStG und der §§ 28 und 29 KStG zu ermitteln. Der als Leistung i.S.d. § 27 Abs. 8 S. 1 KStG zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der Körperschaft für den jeweiligen Veranlagungszeitraum gesondert festgestellt (§ 27 Abs. 8 S. 3 KStG). Der Antrag ist beim Bundeszentralamt für Steuern nach dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck bis zum Ende des Kalenderjahres zu stellen, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Leistung erfolgt ist. Die Antragsfrist ist eine Ausschlussfrist.

Im Hinblick auf in einem anderen Mitgliedstaat der EU unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften wird - anders als bei in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften - also nicht der Bestand des steuerlichen Einlagekontos gesondert festgestellt, sondern die Summe der im jeweiligen Veranlagungszeitraum als Einlagenrückgewähr zu qualifizierenden Leistungen. Gem. § 27 Abs. 8 S. 2 KStG ist die Einlagenrückgewähr in entsprechender Anwendung der Abs. 1 bis 6 zu ermitteln. Die ausländische Körperschaft hat danach nach ihren ausländischen Bilanzen den Bestand des anzusetzenden steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des der Leistung vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu ermitteln. Maßgeblich für die Ermittlung der Einlagenrückgewähr ist aufgrund der Verweisung gem. § 27 Abs. 1 S. 3 KStG der auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittelte ausschüttbare Gewinn.

Infolgedessen ist im vorliegenden Fall die von der X-AG an den Kläger erbrachte Leistung nicht als Einlagenrückgewähr anzuerkennen und deshalb gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 9 EStG einkommensteuerpflichtig. Denn die X-AG hat nicht das in § 27 Abs. 8 KStG geregelte Antragsverfahren eingeleitet, weshalb der Kläger bei dem für ihn zuständigen Finanzamt auch keine entsprechende Bescheinigung einreichen konnte. Das wäre aber erforderlich gewesen, um die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG normierte Sonderregelung in Anspruch nehmen zu können.

Im Hinblick auf höherrangiges Recht ergibt sich keine andere rechtliche Beurteilung. Zwar ist vorliegend von einem Eingriff in die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit auszugehen. Es entspricht aber der gefestigten EuGH-Rechtsprechung, dass das Erfordernis, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten, ein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist, der eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten rechtfertigen kann, und dass ein Mitgliedstaat zur Anwendung von Maßnahmen befugt ist, die der Sicherstellung und Überprüfung der Besteuerung dienen. Jedoch kann eine beschränkende Maßnahme nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, also geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das dazu Erforderliche hinausgeht.

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