13.07.2023

Sonderausgabenabzug für Kinderbetreuungskosten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG - Verfassungsmäßigkeit der Haushaltszugehörigkeit als Abzugsvoraussetzung

1. Das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit in § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG beruht auf einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung bzw. Förderung.
2. § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG verstößt jedenfalls dann nicht gegen die Steuerfreiheit des Existenzminimums und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG), wenn die Betreuungsaufwendungen desjenigen Elternteils, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, durch den ihm gewährten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (§ 32 Abs. 6 EStG) abgedeckt werden.

Kurzbesprechung
BFH v. 11.5.2023 - III R 9/22

EStG § 4f, § 9 Abs. 5 Satz 1, § 9c, § 10 Abs. 1 Nr. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 8, § 24b, § 31, § 32 Abs. 6, § 33c
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2


Streitig war der Abzug von Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben. Nach Auffassung des Steuerpflichtigen ist das in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG normierte Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit des Kindes verfassungswidrig. Dies sieht der BFH jedoch anders und wies die eingelegte Klage als unbegründet zurück.

Abziehbare Sonderausgaben sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 € je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG). Im Streitfall stand dem Sonderausgabenabzug entgegen, dass die Tochter des Steuerpflichtigen im Streitjahr allein zum Haushalt der Mutter und nicht auch zu seinem Haushalt gehörte.

Der steuerliche Abzug für die konkreten vom Steuerpflichtigen getragenen Kosten der Betreuung der Tochter im Kindergarten und im Schulhort lässt sich auch nicht auf eine andere Vorschrift des EStG stützen.

Der BFH lehnte die vom Steuerpflichtigen beantragte Vorlage an das BVerfG bei gleichzeitiger Verfahrensaussetzung nach § 74 FGO ab, da er nicht davon überzeugt ist, dass § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Fall des Steuerpflichtigen ein Eltern- bzw. Familiengrundrecht (Art. 6 GG) oder den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.

Ein Verstoß des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG gegen Art. 6 Abs. 1 GG im Hinblick auf das Existenzminimum der Tochter, des Steuerpflichtigen oder seiner Familie war im Streitfall schon wegen der in § 32 Abs. 6 EStG gewährten Freibeträge zu verneinen.

Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) durch das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG lag nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG ebenfalls nicht vor. Denn der Grundsatz der Belastungsgleichheit hindert den Gesetzgeber nicht, mit Hilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele zu verfolgen; bei der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte oder Personen gefördert werden sollen, ist er weitgehend frei. Derartige Förderungs- und Lenkungsziele sind allerdings nur dann geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Be- und Entlastungen zu liefern, wenn entweder Ziel und Grenze der Förderung und Lenkung mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorbezeichnet sind oder das angestrebte Förderungs- und Lenkungsziel jedenfalls von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen wird. Diese Voraussetzungen hat der BFH im Streitfall bejaht.

Der BFH wies zudem darauf hin, dass auch im Schrifttum das Merkmal der Haushaltszugehörigkeit nicht als verfassungswidrig angesehen wird. Auch lassen sich der Rechtsprechung zum steuerlichen Abzug von Kinderbetreuungskosten, zum BEA-Freibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) und zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) keine Anhaltspunkte für die Verfassungswidrigkeit des auch in anderen EStG - Normen verwendeten und mit Wirkung vom 1.1.2012 in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG übernommenen Merkmals der Haushaltszugehörigkeit entnehmen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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