Steuerberater: Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls nach Ankündigung der Restschuldbefreiung
Hessisches FG v. 28.1.2019 - 9 K 1943/17Mit Schreiben vom 20.6.2017 leitete die Beklagte ein Widerrufsverfahren über die Bestellung des Klägers als Steuerberater gem. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ein, nachdem sie erfahren hatte, dass das Insolvenzgericht über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet hatte. Die Beklagte forderte vom Kläger u.a. die Vorlage eines vollständigen Vermögensverzeichnisses sowie ein Verzeichnis der Gläubiger und Schuldner unter namentlicher Benennung und unter betragsmäßiger Angabe der bestehenden Verbindlichkeiten bzw. Forderungen. Es wurde eine Frist von drei Wochen gesetzt. Erst mit E-Mail-Schreiben vom 31.7.2017 legte der Kläger verschiedene Gehaltsabrechnungen und einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen vor. Weiterhin wurde eine Insolvenztabelle mit Stand zum 9.5.2017 vorgelegt.
Mit Bescheid vom 14.9.2017 widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls gem. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so die Beklagte, bestehe die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls. Diese Vermutung habe der Kläger nicht entkräftet. Allein die Eröffnung des Insolvenzplanverfahrens sei nicht ausreichend, um von der Wiederherstellung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse ausgehen zu können, zumal nicht absehbar sei, wann dieses Verfahren abgeschlossen werde. Dieser Bescheid wurde dem Kläger am 16.9.2017 zugestellt.
Das FG gab der Klage statt. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Ein Vermögensverfall gem. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG war im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den abzustellen ist, nicht mehr gegeben. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird u.a. vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet worden ist. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet, so dass grundsätzlich die gesetzliche Vermutung eingreift. Dass - so das Vorbringen des Klägers - hiermit lediglich die im ersten Insolvenzverfahren unterbliebene Restschuldbefreiung "nachgeholt" werden soll, ist rechtlich unerheblich.
Mit dem Beschluss nach § 287a InsO erfolgt, insofern anders als bei der Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO a.F., keine Prüfung von Versagungsgründen i.S.v. § 290 InsO. Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung auch für die gleichgelagerte Problematik des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG. Der BGH hat die Frage, ob auch ohne Ankündigung der Restschuldbefreiung gem. § 291 InsO a.F. allein bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens gem. § 200 InsO wieder von hinreichend geordneten Vermögensverhältnissen auszugehen ist, offen gelassen, da diese Situation im dortigen Verfahren nicht vorlag. Nach Auffassung des erkennenden Senats zeitigt die Ankündigung der Restschuldbefreiung gem. § 287 a InsO n.F. bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens dieselbe Wirkung wie die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO a.F., nämlich Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls.
Der Senat folgt zunächst dem BGH darin, dass mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung gem. § 287 a InsO n.F., somit gleich zu Beginn des Verfahrens, eine Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls nicht verbunden sein kann; denn § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG stellt gerade die - gegenteilige - Vermutung des Vermögensverfalls bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf. Anders ist aber die Situation bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Beginn der Treuhandperiode (hier: Beschluss des Insolvenzgerichts vom 4.9.2018). Der Steuerberater befindet sich jedenfalls so lange in geordneten Vermögensverhältnissen, wie er seinen Obliegenheiten im Rahmen der Treuhandperiode ordnungsgemäß nachkommt. Zwar versagt nach der neuen Rechtslage (§ 297 a InsO n.F.) das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn sich nach dem Schlusstermin oder im Fall des § 211 nach der Einstellung herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 vorgelegen hat. Der Antrag kann nur binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Versagungsgrund dem Gläubiger bekannt geworden ist. Er ist nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 vorliegen und dass der Gläubiger bis zu dem gem. Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt keine Kenntnis von ihnen hatte.
Diese im Rahmen der Verbesserung der Rechtsstellung der Insolvenzgläubiger geschaffenen Regelung bewirkt jedoch nicht, dass geordnete Vermögensverhältnisse erst mit Ablauf der Treuhandperiode mit endgültiger Restschuldbefreiung eintreten. Anderes gilt dann, wenn bereits Anhaltspunkte für die Geltendmachung nachträglicher Versagungsgründe gegeben sind - was vorliegend nicht ersichtlich ist. Die Zäsurwirkung für die Annahme geordneter Vermögensverhältnisse tritt somit mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein und nicht bereits mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung gem. § 287 a InsO n.F., aber auch nicht erst mit Ablauf der Treuhandperiode mit einer Erlangung der Restschuldbefreiung. Dies dürfte auch im Einklang mit der Entscheidung des Gesetzgebers stehen, dem Schuldner im Wege der Restschuldbefreiung von seinen Verbindlichkeiten zu befreien und ihm die Möglichkeit zu einem wirtschaftlichen Neuanfang zu eröffnen. Da somit bereits von geordneten Vermögensverhältnissen i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG auszugehen ist, kommt es auf die Gefährdung der Auftraggeber-Interessen nicht mehr an.
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